Mitteilungen für Baedeker-Freunde, Heft 4 / 1982

Der 1. Weltkrieg, für den Baedeker-Verlag der Anfang vom Ende

von J.G.C. Schenk, Leeuwarden

Für viele kam das Ende des Baedeker-Reiseführer-Imperiums mit dem alles vernichtenden Bombenangriff während des 2. Weltkrieges. Auf jeden Fall war es ein Ende der von uns geliebten Reiseführer in der Form wie sie damals erschienen. Tatsächlich war es auch so, aber der Verfall zeichnete sich schon viel früher ab. Ich habe die Bibliographie von A. Hinrichsen in ein Schema gezeichnet, und da fällt mir auf, daß sich das Baedeker-Geschehen in deutliche Zeiträume aufteilen läßt. Große Änderungen im Weltgeschehen haben ihren Einfluß auf die Ausgaben von Baedeker nicht verfehlt. Einige Beispiele sind: Der Erfolg der Eisenbahn in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat gleichen Schritt gehalten mit dem Erfolg der Baedeker-Reiseführer. Und die Industrialisierung ab 1875 ergab eine ganz neue Gruppe von Reisenden. Industriebarone und ihre Familien gingen wie die traditionell reichen Leute auf Reisen. Mit der Reiselust stieg nicht nur der Verkauf von Baedekern sondern auch anderer Reiseführer stark an. Auf moderne Art gesagt: Baedeker hat mit seinen Reisehandbüchern die Lücke Markt entdeckt.

Die Jahre 1890-1914 sind so ungefähr die Spitze in der Produktion und im Verkauf von Baedekern geworden. Der 1. Weltkrieg verursachte einen großen Einschnitt. Der Kriegszustand bedeutete eine Beschränkung der Reisemöglichkeiten und in den Jahren 1914-1918 erschienen kaum noch Baedeker.

Die Nachkriegsjahre kommen mit viel Unruhe, Revolution, usw. Die Eisenbahn bekommt ernsthafte Konkurrenz durch das Auto und die Reiseinformationen haben sich den veränderten Umständen anzupassen. Höchstwahrscheinlich hat der Baedekerverlag Schwierigkeiten mit dem Sammeln von den Informationen für ihre Ausgaben. Man kann sich leicht vorstellen, daß die damaligen Feinde Deutschlands nicht sehr entgegenkommend waren, die Informationswünsche zu erfüllen.

Mangel an Information, Unruhe in Europa, Änderung in Art und Weise des Reisens werfen Baedeker zurück auf das innerdeutsche Geschehen. Verfolgen wir die Entwicklung! In den Jahren 1900-1914 zirkulieren insgesamt 81 verschiedene Baedeker-Titel, nämlich 30 deutschsprachige, 26 in englischer Sprache und 25 in französischer Sprache. Es werden insgesamt 253 Auflagen gedruckt. In dem Zeitraum von 1919-1943 sind insgesamt 73 Titel im Umlauf mit 119 Auflagen. Das scheint noch ziemlich viel, aber die Anzahl der Auflagen hat um mehr als 50% abgenommen. Die Zahl der Titel wird stark beeinflußt von der Ausgabe der sogenannten Regionalbände. Es erscheinen in diesem Zeitraum in deutscher Sprache 45 Titel, davon sind jedoch 23 neu. Davon ist der Band "Indien" vor dem 1. Weltkrieg vorbereitet worden.

In französischer Sprache sind dann noch 8 Titel zur Verfügung und "Belgique et Luxembourg" ist der einzige neue Band.

In englischer Sprache sind dann noch 20 Titel zur Verfügung, davon sind aber nur 4 neue Titel. Dieses sind "Belgium and Luxemburg", "Madeira", auch noch "Russia" (schon vor dem Krieg vorbereitet) und "Germany" im Jahre 1936. Dieser letzte Band bezieht sich auf die Olympischen Spiele in Berlin.

Insgesamt erschienen in den Jahren 1919-1943 in französischer und englischer Sprache noch 39 Auflagen, davon nur 5 neue Titel.

Im Vergleich mit den Jahren 1900-1914 - in diesem Zeitraum hat es 51 Titel mit insgesamt 146 Ausgaben gegeben - ein Rückgang um mehr als 70 %. In deutscher Sprache war es ein Rückgang - trotz vieler neuer Titel - von ungefähr 50%.

Die Bände "Indien"; "Nordamerika", "Griechenland", "Palästina", "Konstantinopel und Kleinasien" und "Russland" bekommen nach dem 1. Weltkrieg keine neue Auflage. Nur "Ägypten" und in englischer Sprache "Canada" erleben eine Neubearbeitung. (Natürlich auch noch "Egypt" von 1929, das ich weiter vorne übersehen hatte; aber die gesamte Situation änderte sich wenig). Was in den Jahren 1930-1943 an neuen Auflagen erscheint, ist kaum nennenswert. Das Ende der Baedekerbände ist erkennbar, der Verfall hat sich bereits gleich nach dem ersten Weltkrieg angekündigt.

J.G.C. Schenk: Der 1. Weltkrieg, für den Baedeker-Verlag der Anfang vom Ende
In "Mitteilungen für Baedeker-Freunde" Heft 4, S. 19-21.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1982)


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