Mitteilungen für Baedeker-Freunde, Heft 5 / 1983

Verlag Karl Baedeker

von Hans Baedeker (Fortsetzung aus Heft 4)

Wir hatten also die zwölf Wegestunden in zwei Stunden zurückgelegt, und dafür hatte ich 2 Franken oder 16 Silbergroschen im bedeckten Wagen mit gepolsterten Sitzen bezahlt. Für die "Diligence", in welcher auch die Rückwand gepolstert ist, bezahlt man drei Franken. Die Entfernung von Antwerpen nach Brüssel ist etwas dieselbe als von Koblenz nach Bonn. Ich gebrauche dazu mit der guten preußischen Schnellpost sechs Stunden und bezahle für einen Platz 2 Thaler 20 Silbergroschen. Auf der Eisenbahn gebrauche ich noch nicht zwei Stunden und bezahle nur 16 Silbergroschen. Es ist eine prächtige Einrichtung mit diesen Eisenbahnen. Bei Reisen kommt Geld und Zeit gar nicht mehr in Betracht."

Mit welchem Fleiß er sich seine Kenntnis "erwanderte“ - ein Ausdruck, für den ihn schon 1862 Grimms Wörterbuch als Beleg anführte -, davon zeugen zahlreiche Notizbücher von seinen alljährlichen Reisen. In einem liest man z.B. seitenlange Eintragungen, wie er am 14. April 1854 acht Stunden hintereinander und am Tage darauf noch 5 1/2 Stunden auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise die genaue Lage von Gräbern berühmter Männer feststellte. Auch die ständige Vermehrung der Karten und Pläne zeigt sein Verständnis für die Bedürfnisse der Reisenden. Die vierte Auflage der "Rheinlande" (1843) enthielt bereits acht Stadtpläne, die von E. Wagner in Darmstadt (der heutigen Firma H. Wagner & E. Debes in Leipzig) angefertigt waren. So konnten die Handbücher Karl Baedekers den Forderungen einer Zeit genug tun, der Eisenbahnen und Dampfschiffe eine große Verbilligung und Zunahme des Reiseverkehrs brachten. 1839 erschienen die ebenfalls von ihm selbst verfaßten Handbücher "Belgien" und "Holland", 1842 "Deutschland und der österreichische Kaiserstaat", 1844 die "Schweiz", 1855 sein letztes Werk "Paris und Umgebung". Bei Karl Baedekers Tode im Jahre 1859 lagen die wichtigsten Bände z. T. schon in acht bis zehn Auflagen vor. Seine Söhne setzten das Werk des Vaters fort. Seit 1861 erschienen die Italienbände, 1862 London, zu dem Karl Baedeker der Jüngere auf einem langen Aufenthalt in England den Grund gelegt hatte. Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung nach dem Deutsch-Französischen Krieg schuf neue Möglichkeiten und weitere Ausblicke. Karl und Fritz Baedeker verlegten die Firma 1872 aus der rheinischen Provinzstadt in die Zentrale des deutschen Buchhandels, nach Leipzig. und hier begann eine neue große Schaffensperiode, an der auch die Kartographische Anstalt von H. Wagner & E. Debes ihren ruhmreichen Anteil hatte. Sie war aus Darmstadt nach Leipzig übergesiedelt, nachdem der große Kartograph Ernst Debes ihr Teilhaber und wissenschaftlicher Leiter geworden war, und lieferte unermüdlich die Hunderte von mustergültigen Karten und Plänen aus aller Welt, mit denen die vielen von nun an neu geschaffenen Baedekerbände ausgestattet wurden. Da wurde zunächst der Orient in Angriff genommen. 1875 erschien die erste Auflage des Bandes Palästina und Syrien, dem die Reisen des hervorragenden Arabisten und Palästinakenners Albert Socin von vornherein auch wissenschaftliche Bedeutung sicherten. Bis zum Weltkrieg immer wieder neu bearbeitet, auch in englischer und französischer Sprache, erschien er sogar der englischen Heeresleitung so wertvoll, daß sie für den Dienstgebrauch ihrer Truppen an der Palästinafront einen wörtlichen Abdruck herstellen ließ, dessen Vorräte nach dem Krieg loyalerweise vernichtet wurden.

Schon 1877 folgte der Band Ägypten, dessen Grundlagen Karl Baedeker der Jüngere auf einer langen Ägyptenreise gelegt hatte und der durch die wissenschaftliche Arbeit der ersten Ägyptologen sich bis heute seine Bedeutung als das maßgebende Ägyptenhandbuch seiner Art zu bewahren gewußt hat, Reisehandbuch und Fachbuch zu gleicher Zeit. 1879 erschien der von Fritz Baedeker bearbeitete Band Schweden und Norwegen zum ersten Male. Fritz Baedeker (1844 - 1925), den die Universität Leipzig bei ihrer 500jährigen Jubelfeier im Jahre 1909 durch Verleihung des philosophischen Ehrendoktors auszeichnete, hat das Verdienst, mit sicherem Sinn für das Wesentliche und für die übersichtliche Gestaltung des mit der fortschreitenden Entwicklung immer reicher werdenden Inhalts die Form des modernen Reisehandbuches durchgebildet zu haben, die auch im Ausland vielfach zum Vorbild genommen und noch heute, z.B. vor einigen Jahren in Japan, immer wieder getreulich nachgebildet wird. Unter ihm entstanden viele neue Bände: außer Ägypten und Schweden und Norwegen noch Rußland, Griechenland, Kleinasien, Nordamerika, Kanada, Spanien und Portugal, Mittelmeer, Indien. Er gewann zahlreiche hervorragende Gelehrte als Mitarbeiter, die seinen Büchern ihren Ruf auch in wissenschaftlichen Kreisen sicherten; genannt seien unter vielen anderen die Kunsthistoriker Anton Springer, Carl Justi, die Archäologen Heinrich Nissen, Wilhelm Dörpfeld, Wolfgang Helbig, Christian Hülsen, Walter Amelung, die Geographen Georg Schweinfurth, Heinrich Kiepert, Friedrich Ratze l, Joseph Pantsch, Georg Wegener, Norbert Krebs. Immer aber blieb durch die eigene, bis ins Kleinste gehende Redaktionsarbeit des Herausgebers das Gleichgewicht des Inhalts und die bewährte Gleichmäßigkeit der Form gewahrt. Immer wieder wurde vor allem durch eigene Reisen des Herausgebers, seiner Söhne, die heute die Firma weiterführen, und ihrer ständigen Mitarbeiter die Zuverlässigkeit der Angaben sichergestellt. Fritz Baedeker hat einmal selbst anschaulich dargelegt, wie das 1897 erschienene Reisehandbuch für Spanien und Portugal zustande kam: "Das erste Manuskript lieferte der durch seine norwegischen und schwedischen Reiseschilderungen, auch durch eine spanische Reisebeschreibung bekannte Ludwig Passarge. Dieses Manuskript wurde nach einer redaktionellen Durchsicht meinerseits, zum Teil auch ohne Änderungen gesetzt. Mit diesem gedruckten Manuskript bereiste ein langjähriger kunsthistorischer Mitarbeiter, Dr. Propping, das Land abermals und berichtigte es nach seinen Erfahrungen, in kunsthistorischer Hinsicht auf Grund der ebenfalls in Korrekturabzügen vorliegenden Übersicht der spanischen Kunst, die der Verlag von Professor Justi erhalten hatte. Den Artikel "Madrid" bearbeitete A. Dressel, der langjährige Sekretär der deutschen Botschaft in Madrid, zweimal im Laufe der Jahre ebenfalls zuerst auf Grund des Passargeschen Manuskriptes neu. Die Beschreibung und Würdigung der Gemäldegalerie im Prado hatte den bekannten Kunstkenner Dr. W. Bode zum Verfasser (von ihm sind auch die Beschreibungen der Galerien in Stockholm, Kopenhagen, Petersburg usw. in den ersten Auflagen der betreffenden Bände), doch mußte der Text infolge wiederholter Neuordnung der Sammlung mehrmals umgearbeitet werden. Dann gingen die Korrekturabzüge an eine Anzahl in Spanien und Portugal ansässiger Deutscher zur Durchsicht. Da mir die Darstellung immer noch zu breit war, ich auch bei der Vergleichung des Textes mit den Karten und Plänen vielerlei zu ändern fand, so arbeitete ich den Text nochmals durch, wobei ich, ohne meines Erachtens Wesentliches wegzulassen, an drei Bogen herausredigierte.

Hans Baedeker: Verlag Karl Baedeker
In "Mitteilungen für Baedeker-Freunde" Heft 5, S. 16-19.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1983)


Der zweite Inhaber der Firma Karl BaedekerTable of contentsA Tramp Abroad

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