Reiseleben, Heft 11 / 1985

Bad Oeynhausen - ein Architekturmuseum des 19. Jahrhunderts

Unter diesem Titel ist im Hirmer-Verlag in München ein anschaulicher Text-Bild-Band von Baldur Köster erschienen. Da Bad Oeynhausen erst im 19. Jahrhundert als Badestadt gegründet wurde, läuft die Entwicklung dieser Stadt parallel mit der Entwicklung des Tourismus. Der Gründer dieses Bades, Karl Freiherr von Oeynhausen, stieß beim Bohren nach Salz auf eine Heilquelle, die dann der Ansatzpunkt für den Ausbau des Heilbadeortes wurde. Der Oberbergrat in preußischen Diensten nahm an der stürmischen technischen Entwicklung großen Anteil. Mit dem vielleicht besten Geognosten seiner Zeit, Heinrich von Dechen, mit dem er befreundet war, fuhr er nach England, um die Entwicklung der Eisenbahn technisch und kaufmännisch zu untersuchen ("Ueber Schienenwege in England", Reimer 1829). Als Ergebnis dieser Erkenntnisse projektierte er im Jahre 1830 die Eisenbahnstrecke der Köln- Mieser Eisenbahn, allerdings nur bis Rehme. Damit wollte er die Nutzung der Sole Neusalzberg bei Rehme für das Rheinland auf der Eisenbahn erschließen.

(Karl von Oeynhausen hatte mit Heinrich von Dechen die beiden bedeutenden Arbeiten "Geognostische Umrisse der Rheinlande" und "Geognostische Karte der Rheinlande" im Jahre 1825 veröffentlicht.) Rehme war Poststation an der Straße von Minden über Herford nach Bielefeld, aber der Ort hatte z.B. im Jahre 1817 noch keine Bedeutung für den Reisenden (siehe dazu: Reichard: Guide des Voyageurs en Allemagne..., Weimar 1817, S. 400 f.). Aber es sollte ganz anders kommen.

Im Köster'schen Buch ist hauptsächlich die architektonische Entwicklung von Neusalzwerk bei Rehme (späterer Name: Bad Oeynhausen) nachvollzogen. Architekturgeschichte ist auch Wirtschaftsgeschichte; der Badetourismus wurde planmäßig aufgebaut, also mußte er sich auch in Reisehandbüchern schriftlich bemerkbar machen.

Im Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Österreichischen Kaiserstaat von 1847 schreibt Karl Baedeker auf S. 540:

"2. Rehme, in der Nähe die bedeutende Saline Neusalzwerk mit einem über 2000 F. tiefen Bohrloch, aus welchem eine 25 Gr. warme Salzquelle, die zu Bädern viel besucht, zu Tage quillt."

1830 hatte die erste Bohrung stattgefunden, 1839 wurde privat die erste Badewanne aufgestellt und im Jahre 1844 wurden schon 18-20 000 Badeanwendungen verabreicht. Auf dem ersten aufklappbaren Plan im Buch von Baldur Köster erkennt man für die Periode 1845-1847 die im Bau begriffene Eisenbahnlinie, den im Bau begriffenen Bahnhof und ebenso den ersten Hotelbau, das Hotel Vogeler. In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Kurparkes. Kein Geringerer als Peter Joseph Lenné zeichnete dafür verantwortlich (siehe dazu: Köster, a.a.O., S. 11 ff.).

Auf der zweiten ausklappbaren Karte des Köster'schen Buches für die Periode von 1847 - 1862 ist die Eisenbahnstrecke in Betrieb (Eröffnung: 15. Oktober 1847), das Badehaus I ist fertig (erbaut 1854-1857 vom Architekten Carl Ferdinand Busse aus Berlin mit der örtlichen Bauleitung des Baumeisters Robert Cremer), ein weiteres Hotel, ein Logierhaus und ein Trinkpavillon waren dazu gekommen.

Im illustrierten Handbuch für Reisende in Mittel-Europa von Theobald Grieben aus dem Jahre 1858 finden wir auf S. 220 folgende Angaben:

"Gegenwärtig heisst die Bahnstation und das königl. Bad (eine kohlensaure, 26 1/20 R. warme Sooltherme, welche aus 2200' tiefem Bohrloche quillt), nach seinem Gründer Oeynhausen (Hotel Vogeler am Bahnhof, Volkening; table d’hôote im Kursaal, Schoof's Conditorei im Pavillon). Dasselbe hebt sich in erstaunlicher Weise, zählt jährlich 3000 Kurgäste und hat grossartige prächtige Badeeinrichtungen, namentlich ein nach Busse's Plan 1857 erbautes k. Badehaus griech. Styls mit Kuppel, an welches sich eine Trinkhalle und Wandelbahn anschliessen werden. Neben dem Bade liegt die bedeutende Saline Neusalzwerk, in der Nähe eine chemische und Steingutfabrik."

Bei Karl Baedeker hört sich das etwas anders an (Deutschland und das österreichische Ober-Italien, 1858, S. 123):

"Bei Rehme (Voglers Hotel) ist die bedeutende Saline Neusalzwerk mit einem 2200' tiefen Bohrloch, wohl die grösste Tiefe, zu welcher bis jetzt unter dem Meeresspiegel eingedrungen ist. Eine 260 warme kohlensaure Salzquelle kommt durch dieses Bohrloch zu Tage; sie wird zu viel besuchten Bädern, Oeynhausen's Bad genannt, benutzt. Eigenthümlich ist das Dunstbad, ein künstlicher Wasserfall der Heilquelle in einem bedeckten und geschlossenem Raum. Der Abfluss des Wassers bildet, wie der Kalksinter zu Carlsbad, Incrustationen."

Die dritte Karte aus der Zeit zwischen 1862 und 1894 zeigt, daß Bad Oeynhausen Anklang gefunden hatte. Die Straßenzüge dehnten sich aus, seit dem 19. Mai 1875 gab es eine zweite Eisenbahnstrecke zwischen Hameln und Löhne, so daß der erste Bahnhof nunmehr Nordbahnhof hieß.

Meyer's Reisebuch "Nord-Deutschland" von 1878 (Westl. Theil) bestätigt die Entwicklung wie folgt:

"Oeynhausen, 2100 Einw., viel besuchter Badeort unter königlicher Verwaltung. Gasthöfe: Vogelers Hotel, am Bahnhof, vis-à-vis dem Kurpark.Victoria-Hotel.-Hotel zum Pavillon.- Bescheidener: Deutscher Kaiser.- Restauration im Kurhaus, im Trichter, Börsenhalle etc.- In den das Kurhaus umgebenden Anlagen Morg. und Nachm. Musik der Kurkapelle.-Lesekabinet und Billardsaal im Kurhaus. Ausflüge der Badegäste: zu Fuss nach dem Siehl, Mellbergen, dem Kappenberg, Eidinghausen;-per Bahn: nach der Porta, Schaumburg und Paschenburg. Zum Baden dienen drei kohlensaure Thermalsoolquellen von 4,7 resp. 9 Proc. Salzgehalt. Letztere werden auch auf der nahe liegenden königlichen Saline Neusalzwerk zur Salzfabrikation benutzt. Im ganzen 97 Zellen für Thermalbäder, 35 Zellen für Soolbäder. Das große Thermalbad und der Kurgarten sehenswerth. Die Hauptquelle I im Kurgarten entspringt einem ursprünglich 685 m. tiefen Bohrloch. In Humboldts Kosmos als das tiefste der Erde aufgeführt, jetzt fast um das Doppelte von dem bei Sperenberg südl. von Berlin, überholt, das 1872 eine Tiefe von 1334 m. erreicht hatte."

Mit einem Auszug aus Baedeker's Nord-Deutschland von 1880 (S. 294) soll dieser. Aufsatz abgeschlossen werden. Es muß aber nochmals auf das Köster'sche Buch hingewiesen werden; es endet nicht mit der Darstellung bis zum Jahre 1894, sondern erläutert die Baugeschichte noch bis zum Jahre 1925 in einem 4. Abschnitt.

Karl Baedeker: "Bad Oeynhausen (Rehme). - Gasth.: *Vogeler; Rose; Pavillon; Victoria; Börsenhalle, Starke u.a.- Restauration: im Kurhaus, sowie in den Gasthöfen.-Kurtaxe: 1 Pers. 9 M, jede Pers. mehr 3 M. Ausserdem Musiktaxe 6 M, Familie 9-13.50. Die Kurkapelle spielt tägl. 3mal neben dem Kurhaus. Oeynhausen (71m), zugleich Station der Löhne-Hameln-Vienenburger Eisenbahn, mit 2050 Einw., liegt hübsch am r. Ufer der Werre, eines Nebenflüsschens der Weser. Das unter kgl. Verwaltung stehende Bad, zu Ehren des Begründers (1845), des 1865 verst. Berghauptmanns v. Oeynhausen so genannt, wird jährlich von 3200 Kurgästen besucht. Die drei zu Bädern benutzten kohlensäurereichen Thermalsoolquellen (340, 26,70 und 25,60 C.), welche zusammen stündl. 74 Kubikmeter. Wasser liefern, treten in dem schönen. von Lenné angelegten Kurgarten zu Tage, die wärmste und Hauptquelle in einem mächtigen 9m h. Strahle. Die Bohrlöcher sind gegen 620m tief und mit hohen Bohrtürmen überbaut. Das Badehaus ist nach Entwürfen König Friedr. Wilhelm's IV. erbaut; eigenthümlich ist das Dunstbad, ein künstlicher Wasserfall der Heilquelle in einer bedeckten Rotunde. Daneben Soolbäder aus besonderen 4% und 9% haltenden Soolquellen, Gas- und Wellenbäder. Die nahe kgl. Saline Neusalzwerk liefert jährlich 50.000 Ctr. Salz."

Alex Hinrichsen

Köster, B.: Bad Oeynhausen. Ein Architekturmuseum des 19. Jahrhunderts, mit 97 Zeichnungen und 5 Plänen des Verfassers, München 1985.

Meyers Konversations-Lexikon, 4. gänzlich umgearbeitete Auflage. Vierter Band, Leipzig 1886.

Oeynhausen, C. v./Dechen, H.v.: lieber Schienenwege in England, Berlin 1829.

Baedeker, K.: Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Oesterreichischen Kaiserstaate. Dritte umgearbeitete Auflage, Coblenz 1847.

Deutschland und das österreichische Ober-Italien, achte verbesserte Auflage, zweiter Theil, Coblenz 1858.

- Mittel- und Nord-Deutschland, westlich bis zum rhein. Neunzehnte Auflage, Leipzig 1880.

Grieben, Th.: Illustrirtes Handbuch für Reisende in MittelEuropa, erster Theil. Siebente umgearbeitete und vermehrte Auflage, Berlin 1858.

Meyers Reisebücher: Nord-Deutschland, westl. theil, Leipzig 1878.

Reichard, (H.A.O.): Guide des Voyageurs en Allemagne..., huitième Edition, Weimar 1817.

Kobschätzky, H.: Streckenatlas der deutschen Eisenbahnen 1835-1892, Düsseldorf 1971


Kennen Sie das MUSEUM FÜR VERKEHR UND TECHNIK BERLIN? Wenn nicht, dann ein paar Zeilen dazu:

Das MVT wurde 1982 gegründet, 1983 eröffnet. Es versteht sich als Nachfolger der großen Verkehrs- und Technikmuseen, die Berlin vor dem Kriege besaß.

Dieses Museum versucht, die technische Welt des Menschen in ihren übergreifenden Zusammenhängen darzustellen und be-greifbar zu machen. Die Fachbereiche umfassen den Verkehr von Information und Energie und dazu die wissenschaftlich-technischen Grundlagen.

Das Museum wächst in mehreren Ausbaustufen durch Restaurierung des ehemaligen Betriebsgeländes des Anhalter Bahnhofs mit Lokschuppen, Güterbahnhof und Energiepark mit Mühlen.

Nähere Auskünfte und Anschrift: MVT, Trebbiner Sir. 9, 1000 Berlin 61, Tel. 030-254 84-0.

Alex Hinrichsen: Bad Oeynhausen - ein Architekturmuseum des 19. Jahrhunderts
In "Reiseleben" Heft 11, S. 13-15.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1985)
ISBN 3-922293-09-3


BaedekerianaTable of contentsDie ersten Fahrpläne und Kursbücher der Eisenbahn

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