Reisen und leben, Heft 15 / 1987

Reisen im Alter - Ergebnisse einer Fragebogenaktion

Die Bevölkerung der Bundesrepublik wird im Durchschnitt immer älter, d.h. die sogenannten Senioren nehmen einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung ein. Viele ältere Mitbürger sind unzufrieden, weil sie auf ihren Reisen oft auf Unverständnis für ihre Wünsche stoßen. Die Arbeitsgruppe "Reisen im Alter" der Universität des 3. Lebensalters an der J.W. Goethe-Universität in Frankfurt hat 1986 eine Befragung von älteren Bürgern über Reisewünsche durchgeführt. Die Auswertung der Befragung liegt in einer Broschüre vor, die übersichtlich die ausgewerteten Ergebnisse des mit abgedruckten Fragebogens darstellt. Es wurden über 800 Fragebogen ausgewertet. Zusätzlich wurde 1987 eine Testreise nach Oberbayern unternommen.

Warum geben sich alte Menschen denn nicht mit dem zufrieden, was ihnen geboten wird, könnte man fragen? Man könnte, aber man sollte nicht. Es ist täglich zu erleben, daß das Konsumgut Reisen die Übervorteilung bei einem möglichst geringen Aufwand kennt. Kritik ist meistens garnicht gewünscht, denn es würde Arbeit bedeuten, etwas zu verbessern, ohne sofort klingende Münze zu sehen. Wenn ein Hotel neu ist, ist der Inhaber sehr darauf bedacht, beflissen zu sein. Läuft das Hotel, werden plötzlich alle guten Vorsätze vergessen - der Gast soll froh sein, daß er als kleines Individuum in einer Reisegesellschaft reisen darf; der Gast hat sich dem Zeitplan und den Anordnungen des Reiseleiters zu fügen! Altere Menschen können da nicht immer mitkommen. Aber vielleicht ist auch der Gesichtspunkt zu beachten, daß das Älterwerden andere Perspektiven bringt als nur von Denkmal zu Denkmal und von Lokal zu Lokal geschleift zu werden.

In dem Fragebogen werden die Reisevorbereitung, die Organisation, das Verkehrsmittel, die Reisehäufigkeit, die Jahreszeit, die Reisegebiete untersucht. Sehr aufschlußreich ist z.B. die Frage nach der Beschäftigung im Urlaub. Der ältere Mensch ist beweglicher und sportlicher als noch vor 20, 30 Jahren, aber welcher 60-jährige traut sich, abends im Jogginganzug durch das Hotel zu gehen, um noch einmal schnell 'die Runde zu drehen'? Senioren sind auch wesentlich beweglicher geworden in der Auswahl ihrer Urlaubsorte, sie entscheiden also auch schnell, wenn es ihnen irgendwo nicht gefällt, an einen anderen Ort zu fahren. Die Reisehäufigkeit nimmt u.a. auch mit der gestiegenen Freizeit des Alters zu.

In der Studie stehen noch viel mehr Angaben über die Wünsche der über 55-jährigen Mitbürger, also genau auch der Ansatzpunkt, den z.B. die Produzenten von Reiseführern mit aufgreifen könnten. Wann beginnen wieder das kritische Auswählen bzw. Bewertungen, ob der Ort oder die Einrichtung gut und sinnvoll ist für einen Urlauber? Denn bisher gilt oft nur das Topmodische, das Neueste. Ein Senior sitzt gerne auch an der Après-Ski-Bar, aber er hat andere Tageseindrücke, aber oft gibt er sogar mehr Geld im Urlaub aus, als der Jüngere, der seine teure Ausrüstung zeigen muß, um 'in' zu sein.

Wer Näheres über diese Studie wissen möchte, kann sich an Frau Hildegard Neufeld, Keltenstr. 5, 6380 Bad Homburg, wenden.

Im nächsten Heft von REISEN UND LEBEN wird über eine andere Gruppe berichtet, die sich bemüht, Verständnis für ihre Reiseanforderungern zu bekommen.

-awh

awh: Reisen im Alter - Ergebnisse einer Fragebogenaktion
In "Reisen und leben" Heft 15, S. 34-35.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1987)
ISBN 3-922293-15-8


Studienkonferenz: "Wegweiser in die Fremde?"Table of contentsSymposium für Tourismusgeschichte

Reproduced by kind permission of Alex W. Hinrichsen. All copyrights acknowledged.

© 2004-15 bdkr.com  

bdkr.com P.O.Box 119 Cranbrook Kent TN18 5WB United Kingdom