Reisen und leben, Heft 20 / 1990

Baedekeriana

1. Das Hochgebirge von Grindelwald

In Heft 7 von REISELEBEN wurde dieser Buchtitel zitiert, der als Fußnote zur Beschreibung von Grindelwald in den nach 1865 erschienenen Schweiz - Baedekern genannt wird. Herr Tony Fekete hat nun den Originalband erwerben können und der Redaktion zur Verfügung gestellt. Der genaue Titel lautet:

"Das Hochgebirge von Grindelwald. Naturbilder aus der schweizerischen Alpenwelt von Dr. Christoph Aeby (Professor) und Edm v. Fellenberg (Bergingenieur), beide in Bern, und Pfarrer Gerwer in Grindelwald. Mit einem Panorama in Farbendruck, neun Ansichten in Holzschnitt und einer Karte in Farbendruck im Maßstabe von 1:50.000 von R. Leuzinger. Coblenz. Verlag von Karl Baedeker. 1865. (LXV/150 S.) "

Im Itinerarium für das Excursionsgebiet des S.A.C. 1885/1886 und kritischem Verzeichnis der Gesamtliteratur über die Berner Alpen hat Edm. v. Fellenberg folgende Notiz zu diesem Buch gemacht:

"Bildet eine ziemlich erschöpfende Monographie des berühmten Tales von Grindelwald und seiner umliegenden Hochgipfel. Inhalt: Einleitung. Das Tal von Grindelwald, von R. Gerwer, Pfarrer in Grindelwald. Bergwanderung, Gedicht von Chr. Aeby. Das Wetterhorn, bestiegen den 29. Juli 1863 von Chr. Aeby. Eine Rundfahrt um das Wetterhorn, den 12. bis 15. August 1863 von R. Gerwer und Chr. Aeby, von Aeby. Das Schreckhorn, erstiegen den 4. August 1864 von R. Gerwer, Chr. Aeby und Edm. v. Fellenberg, von Chr. Aeby. Der Eiger, bestiegen den 23. August 1864 durch R. Gerwer, Chr. Aeby und Edm v. Fellenberg, von Chr. Aeby. Der Berglistock, erstiegen den 26. September von Chr. Aeby. Die Ersteigung des kleinen Viescherhorns (Ochs) und die Topographie des Vieschergrates, von Edm. v. Fellenberg. Der Mettenberg, erstiegen im August 1862 von R. Gerwer. Kleines Schreckhorn, erstiegen den 16. Juli 1865 von Chr. Aeby."

Im Aufsatz "Neues aus dem Ober-Wallis, den Berner Alpen und dem Simplon-Gebirge" von 1866 spricht v. Fellenberg in Zusammenhang mit diesem Buch von einer "meisterhaft gestochenen Karte". Die beschriebene Fahrt zum Wetterhorn war auch von Karl Baedeker mitgemacht worden (siehe dazu: REISELEBEN, Heft 7, S. 24).

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Fertigung der Karte von R. Leuzinger, der Mitglied des S.A.C. war, und auch an Schweiz-Karten für Baedeker mitgearbeitet hatte, wie folgendes Zitat aus Petermanns Mitteilungen von 1865 belegt:

"Unsere Voraussetzung, daß sich die Karten des rühmlich bekannten Baedeker'schen Reisehandbuches der Schweiz in neuer Bearbeitung befänden, ist in erfreulicher und überraschender Weise bestätigt durch eine Reihe ganz neuer Kartenblätter, die in der jüngst erschienenen 10. Auflage dieses Werkes enthalten sind und den Vierwaldstätter See und Umgebung, das Berner Oberland, das untere Rhône-Tal vom Genfer See bis zum Lötschen-Tal, das Appenzeller Land, Ober-Engadin und Bernina, das Gebiet von Lukmanier bis zum Maloja darstellen, alle im gleichen Maßstabe von 1:250.000. Wir erwähnen dieser von der Touristenwelt so viel benutzten Karten nicht bloß, weil sie sehr gut gezeichnet, gestochen und gedruckt sind, teils von Ed. Wagner in Darmstadt, teils von R. Leuzinger in Bern, sondern weil wir Gelegenheit hatten, Abdrücke in Blau und des Terrains in Braun zu sehen ohne die Schrift. Solche Abdrücke gewähren ganz ausgezeichnete Terrain - Bilder, wie wir sie gar nicht besser kennen und wie sie nicht bloß dem Kartenliebhaber zur Freude gereichen, sondern auch als Vorlege- und Musterblätter Verwendung finden und Nutzen stiften könnten, so daß wir überzeugt sind, eine separate Ausgabe dieser neuen Karten in Baedeker's Schweiz in guten Abdrücken von den Originalplatten ohne Schrift würde gute Aufnahme finden."

Rudolf Leuzinger (1826-1896) war Kupferstecher, er gravierte u.a. die ersten Excursionskarten des SAC mit; er war mit an der Entwicklung der Felszeichnung in der Kartographie beteiligt und Eduard Imhof stellt fest, daß Leuzinger wohl der erste war, der die sog. Südbeleuchtung in einige der nach Norden eingerichteten Karten eingeführt hatte. Daraus entstand dann z.B. die Kartographie in "Schweizer Manier" (Kombination von Höhenlinien, Felszeichnung und farbiger Schräglichtschummerung als "Reliefkarte der Schweiz" 1881). Für den Baedeker-Verlag war die Zusammenarbeit mit Leuzinger nicht nur eine angenehme Pflicht innerhalb der Kontakte zum SAC, sondern sie kam auch in dem Buch "Das Hochgebirge von Grindelwald" zum Tragen. Dazu darf nochmals aus Petermanns Mitteilungen zitiert werden, und zwar aus dem Jahrgang 1866 unter Literaturangaben:

"Das Hochgebirge von Grindelwald bildet einen Prachtband, wie sein Vorgänger "Das Doldenhorn und die Weiße Frau", welche beide dem Verleger C. Baedeker zur Ehre gereichen." Zur Karte wird folgendes ausgeführt: "...die von R. Leuzinger im Maßstabe 1:50.000 bearbeitete und gestochene prachtvolle Spezialkarte vom Faulhorn im Norden bis zum Finsteraarhorn im Süden, von der Jungfrau im Westen bis über Rosenlauf hinaus im Osten, ausgeführt in vier Farben: Terrain braun, Gletscher, Schneefelder, Flußnetz und Seen blau, Vegetation grün, Wege und Schrift schwarz."

Dieser Hinweis ist umso bedeutender, als im Lexikon zur Geschichte der Kartographie vermutet wird, daß es erst seit 1866 derartige, farbig angelegte Karten von diesem Stecher gegeben hat (hier ein Jahr früher!).

2. Ein weiteres Werk, das im Baedeker-Verlag erschienen ist, und das auch schon einmal zitiert wurde, ist nun im Original auffindbar geworden. Es handelt sich um die Broschüre "Rheinstein. Erinnerungsblätter für Alle, welche die Burg besuchen", erschienen in Kommission bei Karl Baedeker im Jahre 1837. Da nur eine Teilkopie vorliegt, kann über den genauen Umfang (ca. VI/88 S.) nichts Exaktes ausgesagt werden. In dem auf der 3. Umschlagseite abgedruckten Verlagsverzeichnis ist zwar noch die französische Übersetzung der von Röhling übernommenen Rheinreise, erweitert um eine Karte genannt (neben der 2. Auflage der deutschsprachigen Rheinreise von 1835), nicht mehr aber die beiden Bände von Koblenz in deutsch und französisch.

3. Von dem von Wolfgang Helbig verfassten Werk über die klassischen Altertümer in Rom hat nun Herr Fekete uns die englische Übersetzung vorgelegt; sie ist 1895 erschienen in Leipzig im Verlag Karl Baedeker in 2 Bänden (XII/518 S., 490 S.). Die Übersetzung fertigten die Herren James E und Findlay Muirhead.

4. Noch ein weiteres Werk hat Herr Fekete ausfindig gemacht, das in Zusammenhang mit Baedeker-Reiseführern zu nennen ist:

A Complete Handbook to Palestine & Syria. Historical - Geographical - Political and descriptive from 3000 BC to 1918. Compiled by A. Garpatch of the New York Institute of Science. 1918. Published by Kassem Meawad, Emad El Din Street. Cairo, Egypt.IV/267 S.

Das Buch weist in vielen Passagen wortwörtliche oder nur ganz gering abgeänderte Texte aus dem englischsprachigen Baedeker auf.

5. In der Serie "Was nicht im Baedeker steht" gab es seit 1928 Monographien über einzelne Städte oder Regionen. Angefangen wurde mit Berlin, Wien, München und Budapest. Die Serie erweiterte sich rasch. Bekannte Autoren und Zeichner waren gewonnen worden, wie z.B. Ludwig Hirschfeld als Autor für "Wien" oder die Zeichner Karl Arnold, Max Unold oder Paul Neu für "München". In "Paris" hat sich auch Jean Cocteau verewigt. Nun erschien der erste Nachdruck, und zwar "Riviera", der von Erika und Klaus Mann (literarisch) verfaßt wurde. Da es sich um keine Reiseführer im klassischen Sinn handelte, sondern um Milieuschilderungen, hat diese Serie für viele Leser ihren Charme bewahrt. "Das Buch von der Riviera" mit Zeichnungen von Walther Becker, Rudolf Großmann, Henri Matisse und Martin Piper ist um acht zeitgenössische Photographien (im wesentlichen vom Reisejournalisten Walter Hürlimann) ergänzt worden. Die persönliche Note läßt heute noch Stimmungen und Eindrücke erzeugen, die unvergleichlich sind. Auf der einen Seite der klassische, dokumentierende Reiseführer und hier das Umsetzen des Erlebnisses, verknüpft mit konkreten Angaben. "Riviera" ist nicht als 'alternativ' im heutigen Sinne zu interpretieren, dafür bejahen die Autoren den Lebensstil mit einer kritisch-humorvoll-geistigen Einstellung. Die Neuausgabe ist geschmackvoll in einen illustrierten Schutzumschlag unter Verwendung einer Zeichnung von Walter Trier eingebunden, umfaßt 208 Seiten (einschließlich Nachwort) und kostet DM 36,--.

6. Zwei wissenschaftliche Arbeiten sind in Zusammenhang mit dem Verlag Karl Baedeker geschrieben worden, und zwar:

a) Sedlacek, Y.: Baedeker's Reisehandbuch. Ein Name wird zum Inbegriff für Reiseliteratur. Diese Arbeit im Fach Kommunikationswissenschaft wird bei uns ab Herbst verfügbar sein;

b) Kiefer, 1.: Reisepublizistik und Ent-Privilegisierung des Reisens im 19. Jahrhundert aufgezeigt am Beispiel Baedeker Diese Dissertation wurde an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg abgeschlossen. Interessenten für diese umfangreiche Arbeit können über uns Kontakt aufnehmen.

7. In den Niederlanden gibt es folgende Reihe: "Baedeker voor de Huisvrouw" in 22 Bänden, herausgegeben vom Niederländischen Buchklub in Den Haag (der Hinweis stammt von Herrn R. bibbert).

8. Im Landesmuseum Koblenz fand vom 22. Sept. bis 19. Nov. 1989 eine Ausstellung unter dem Titel "Made in Coblenz - Produkte der letzten 200 Jahre" statt. Wir wurden nach ergänzendem Material gefragt; sehr zögerlich erfuhren wir im Febr. 1990, daß für diese Ausstellung auch eine Begleitmappe herausgegeben worden war. Sie entbehrt allerdings notwendiger Sorgfalt, wie am Beispiel über den Verlag Baedeker erkennbar ist. Quellen wurden ohne Beachtung von Copyrights bedenkenlos verwendet und dann mit eigenem Copyright versehen; der Band 'Koblenz' 1829 von Röhling wurde falsch Baedeker zugeordnet.

Baedekeriana
In "Reisen und leben" Heft 20, S. 27-30.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1990)
ISSN 0936-627X


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