Reiseleben, Heft 10 / 1985

200 Jahre Justus Perthes

Im Jahre 1985 blickt die geographische Verlagsanstalt Justus Perthes, Gotha-Darmstadt - auf ein 200-jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlaß ist eine Festschrift beim Verlag erschienen; darüber hinaus ist in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek im Schloß zu Darmstadt eine Ausstellung. Sie wurde am 10. Juli eröffnet und ist bis zum 5. Oktober 1985 zu besuchen (Mo-Fr 9-19 Uhr <12.8.-20.9.: 9-17 Uhr>, Sa 9-12.30 Uhr).

Aus dem Ausstellungsprospekt darf hier auszugsweise zitiert werden in der Annahme, daß der berühmte Verlag auch den einen oder anderen Sammler anspricht - der eine kennt ihn vielleicht von dem Gothaischen Hofkalender, der andere insbesondere durch die Kartographie.

"Im September 1785 übernahm Johann Georg Justus Perthes (17491816) Verlag und Vertrieb des von dem Verleger C.W. Ettinger in Gotha. Der Zeitpunkt der Übernahme dieses heute schon legendären Adelskalenders wird als Gründungsdatum des Verlages betrachtet. Um die Jahreswende 1814/15 legte Adolf Stieler den Vorschlag zur Herausgabe eines Handatlas vor. Seine Idee war, "etwas dem Plane nach zwar Beschränktes, aber in der Ausführung Ausgezeichnetes zu liefern, das sich auf den ersten Blick auch dem verwöhnten Auge empfiehlt". Justus Perthes ging ohne Zögern auf diesen Plan ein, der für die weitere Entwicklung des Unternehmens als Kartenverlag von größter Bedeutung werden sollte. Zwei Jahre nach dieser richtungweisenden Entscheidung starb Justus Perthes.

Sein Sohn Wilhelm Perthes (1793-1853) übernahm mit 23 Jahren die Verlagshandlung. Bereits im Frühjahr 1817 erschien die erste Lieferung des "Stieler Hand-Atlas", der bis 1823 auf 50 Karten erweitert wurde. "Stielers Hand-Atlas" erschien bis 1945 in zehn ständig verbesserten und erweiterten Ausgaben!

1836 wurde die ebenfalls von Adolf Stieler bearbeitete "Karte von Deutschland und den angrenzenden Ländern" im Maßstab 1:740 000 vollständig vorgelegt. Dies war die erste große Gesamtkarte von Deutschland aus einem Privatverlag.

Nach dem Tode von Wilhelm Perthes im Jahr 1853 übernahm sein Sohn Bernhardt Perthes (1821-1857) die Leitung des Unternehmens. Dies war ihm nur vier Jahre vergönnt; dennoch reichte diese Zeit, einer von ihm lange gehegten Idee zum Durchbruch zu verhelfen. Es schwebte ihm vor, den Verlag Justus Perthes zu einem Mittelpunkt der geographischen Wissenschaft zu machen und es gelang ihm, den geeigneten Mann für die Verwirklichung dieser Aufgabe zu gewinnen: Im August 1854 traf August Petermann, aus London kommend, in Gotha ein und bereits im März 1855 erschien das erste Heft der "Mittheilungen aus Justus Perthes' Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiet der Geographie von Dr. A. Petermann." Innerhalb weniger Jahre machte Petermann die "Mittheilungen" zur bedeutendsten geographischen Fachzeitschrift seiner Epoche; durch sie wurde die Geographische Anstalt Justus Perthes in der Tat über 20 Jahre hinweg zu einem Zentrum geographischer Forschung, noch bevor die ersten Institute für Geographie in Deutschland gegründet wurden.

Im Jahre 1881 konnte Berhard Perthes (1858-1919) in vierter Generation die Leitung der Firma übernehmen, nachdem der Verlag über 20 Jahre von dem früheren Prokuristen Adolf Müller und dem Verlagsbuchhändler Rudolf Besser geführt worden war. In der Zeit seines Wirkens erfuhr der Verlag eine enorme technische und bauliche Entwicklung.

Carl Vogel, der bereits gemeinsam mit Petermann und Hermann Berghaus für die Neubearbeitung des "Stieler Hand-Atlas" verantwortlich zeichnete, schuf in zehnjähriger Arbeit die "Karte des Deutschen Reiches 1:500 000", eines der schönsten und bedeutendsten Kartenwerke seiner Zeit. Ein neuer Abschnitt in der Verlagsgeschichte wurde 1897 mit dem Eintritt des jungen Dr. Hermann Haack eingeleitet, dessen Schaffen über 50 Jahre hinweg wesentlichen Einfluß auf die weitere Programmgestaltung des Verlages hatte. Unter seiner Regie erfolgte eine Reform der Wandkarten, deren Auswirkungen bis in die heutige Zeit reichen. 1907 begann er mit der Bearbeitung des "Großen Geographischen Wand-Atlas", dessen Karten mit ihren kräftigen, auf Fernwirkung abgestimmten Farben und einer außerordentlich plastisch wirkenden Geländedarstellung die Perthes Wandkarten in der ganzen Welt bekannt gemacht haben.

Im Dezember 1919 starb Bernhard Perthes; sein Sohn Dr. Joachim Perthes (1889-1954) wurde Alleininhaber. Er übernahm das väterliche Erbe in einer Zeit weltweiter Rezession und hatte die schwere Aufgabe, den Verlag sicher durch die Krisen der 20er und 30er zu leiten. Eine der bedeutendsten Unternehmungen dieser Zeit war die „Hundertjahrausgabe“ des Stieler unter der Leitung von Hermann Haack, die 1925 abgeschlossen vorlag.

Unter dem Druck der Umstände fassten im Dezember 1952 Dr. Joachim Perthes und sein Sohn Wolf-Jürgen Perthes den schweren Entschluß, Gotha zu verlassen und im Westen einen neuen Anfang zu machen. Kurz darauf wurde in Gotha der "Volkseigene Betrieb" ausgerufen, d.h. die Enteignung der Geographischen Verlagsanstalt.

Bereits im April 1953 wurde damit begonnen, in Darmstadt unter Mithilfe einiger vertrauter Mitarbeiter einen neuen Betrieb aufzubauen.

Dr. Joachim Perthes konnte nur die ersten bescheidenen Anfänge in Darmstadt miterleben, er starb im Jahre 1954. Wolf-Jürgen Perthes (1921-1964) schuf die Voraussetzungen, daß schon bald die Darmstädter Neuproduktion der Haack'schen Schulwandkarten anlaufen konnte. In kurzer Zeit entstanden zahlreiche der weltweit geschätzten Schulwandkarten in neubearbeiteten deutschen und fremdsprachigen Ausgaben.

1964 - es waren bereits die Fundamente für ein neues Verlagsgebäude gegossen - verstarb Wolf-Jürgen Perthes völlig überraschend nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt. ... Der Prokurist Georg Lencer übernahm für zwei Jahre die Verlagsleitung, bis 1966 die Geschäftsführung an die beiden Prokuristen Werner Painke und Gerhard Vaeth über ging.

1980 übernahm Stephan Perthes in siebter Generation die Leitung des Verlages. Die Kataloge des Jubiläumsjahres 1985 enthalten insgesamt 150 Darmstädter Wandkarten (darunter zahlreiche Titel in bis zu 12 Fremdsprachen) sowie nahezu 180 Transparentserien zu den Unterrichtsfächern Geographie, Geschichte, Politik und Sozialkunde. Diese Zahlen verdeutlichen die von allen Mitarbeitern seit 1953 in Darmstadt geleistete Aufbauarbeit.“

Soweit der Auszug aus dem in der Ausstellung ausgelegten Prospektes. Die Firma bietet an, auf Anforderung die Festschrift zuzusenden, ebenso das ausführliche Verlagsprogramm. Die Anschrift ist: Justus Perthes Geographische Verlagsanstalt, Postfach 11 08 49, D-6100 Darmstadt.

Zum Abschluß ein Hinweis: Karl Baedeker empfiehlt in seinen frühen Handbüchern im Vorwort: "Die beste Karte kleinern Maßstabes (1:800,000) ist die Stieler'sche Karte von Deutschland (Gotha bei J. Perthes, 25 Blätter 9 1/3 Thlr., einzeln das Blatt 14 Sgr.)."

200 Jahre Justus Perthes
In "Reiseleben" Heft 10, S. 15-17.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1985)
ISBN 3-922293-08-5


Defekten Baedeker restaurierenTable of contentsBaedekeriana

Reproduced by kind permission of Alex W. Hinrichsen. All copyrights acknowledged.

© 2004-15 bdkr.com  

bdkr.com P.O.Box 119 Cranbrook Kent TN18 5WB United Kingdom