Reisen und leben, Heft 20 / 1990

Lesenswerte Bücher

Die Rezensionen in REISEN & LEBEN werden in Zukunft eingeteilt werden nach Sachgruppen zur Tourismusgeschichte und zur Tourismusentwicklung von heute. Damit soll allen Lesern, die sich mit Teilgebieten beschäftigen, die Unterscheidung leichter fallen.

Von allen rezensierten Beiträgen können Inhaltsangaben angefordert werden. Weitergehende Auszüge sind auch möglich, genauso wie das Besorgen der besprochenen Literatur zu Originalpreisen. Bei den Auszügen sind aber immer die Urheberrechte voll zu beachten; bei Anforderungen muß dieses anerkannt werden.

Begonnen wird mit Besprechungen einiger Werke, die Einblick in historische Entwicklungen geben. Zuerst stellen wir das Werk

FRIEDRICH JUSTIN BERTUCH

von S. Hohenstein vor. EJ. Bertuch lebte von 1747 bis 1822, die Zeit, in die auch die französische Revolution, die Befreiungskriege und die Restauration in Deutschland fielen. Bertuch war Zeitgenosse vieler bekannter Persönlichkeiten, wie J.H. Campe, H.A.O. Reichard oder A. Reimer. Er lebte in Weimar, schuf dort das Landes-Industrie-Comptoir (1791-1804), aus dem dann das Geographische Institut hervorging. Über das Geographische Institut wie auch über Bertuch allgemein war z.B. in verschiedenen Nummern der Weimarer Schriften berichtet worden. Aber bisher ist davon hier wenig bekannt geworden, bis auf die Schrift von Helmut Arnold (Weimarer Schriften Nr. 11). Siglinde Hohenstein nahm sich einer ausführlichen Arbeit über den Verleger an, der mit seinen Aktivitäten sehr vielseitig war. Sie leitet ihre Arbeit ein mit einer Abhandlung über den Geist der Aufklärung in Philosophie und im Wirtschaftlichen. Dann berichtet sie über Bertuchs Leben und über seine Unternehmungen und Verpflichtungen. Eine Auswahl seiner Werke beschließt das dreiteilige Werk textlich. Der umfangreiche Anhang gibt eine Auswahl aus dem Werkkatalog, eine Auswahlbibliographie, ein Abbildungsverzeichnis.

Die Leser von REISEN & LEBEN könnten die Zusammenhänge bei der Veröffentlichung geographischer Werke (Kartographie und Reiseführer) interessieren, wobei auch alle anderen Veröffentlichungen Bertuchs sehr zu beachten sind, da sie oft miteinander verzahnt sind. Sie hängen außerdem im zeitgeschichtlichen Zusammenhang mit den Veröffentlichungsmöglichkeiten der Zensur in der Zeit der Restauration zusammen. Daß H.A.O. Reichard in seinem Verlag einen Großteil seiner Reisehandbücher veröffentlichte, hat mit der Freundschaft beider Männer zu tun. Aber sie gingen auch unterschiedliche Wege, wie z.B. die Veröffentlichung des 'Oppositionsblattes' seit 1817 in Weimar auf der einen Seite und Reichards 'Revolutionsalmanach' auf der anderen Seite zeigte. Bertuch bekam politische Schwierigkeiten, wie ausführlich in dieser Monographie beschrieben wird. Reichard dagegen war seinem Landesherrn gegenüber immer loyal geblieben. Berühmt ist auch das 'Bilderbuch für Kinder', das vieles von der damaligen Welt- und Technikentwicklung zeigt. 'Der Teutsche Merkur' oder die 'Allgemeinen Geographischen Ephemeriden' sind einige weitere bekannte Titel seines Verlages. Der Rezensent würde die 'Ephemeriden' ähnlich wie die kartographischen Werke als Vorläufer von 'Petermanns Mitteilungen' von Justus Perthes betrachten. Das Unterfangen, Bertuch in seinem Wirken ausführlich zu beschreiben, verdient hohe Achtung, gibt es doch einen Einblick in eine Zeit, in der auch die Dichter Schiller, Goethe und Wieland in Weimar nicht ganz unbekannt waren. Weimar stand damals in seiner Blütezeit, Bertuch hatte einen großen Anteil daran. Um so mehr bleibt zu hoffen, daß unsere kommenden Jahre es ermöglichen, daß das Bertuchhaus in Weimar nicht dem Verfall preisgegeben wird. Leider weist der Band kein Namens- und Sachregister aus, so daß ein Nachschlagen im Vergleich mit anderen Literaturen sehr schwer fällt. Die ausführlichen Besprechungen zu einzelnen Titeln geben gute Charakterisierungen der Verlagsobjekte, sie bleiben aber dann bruchstückhaft, wenn keine Bibliographie zeitliche und nach Gruppen eingeteilte Einordnungen ermöglicht. Ein Beispiel: Der Rezensent kennt die Kartenbeigaben zu dem Oppositionsblatt 1 und 2. Sind das eigenständige Kartenblätter, oder sind sie aus einem größeren Werk entnommen oder später dafür verwendet worden?

Bibliographie: Hohenstein, S.: Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) - bewundert, beneidet, umstritten. Übersetzer mit Verdiensten, Dichter ohne Talent. In Weimar kluger Verwalter der fürstlichen Privatschatulle, erfolgreicher Herausgeber und Verleger, Freund Goethes. Ein Kapitalist und Philantrop der Aufklärung. X/236 S./1 nn.Bl., Berlin/New York 1989. Folio. DM 128,--.

FILIP VON ZESEN: AMSTERDAM 1664

Eine ausführliche Beschreibung der Stadt Amsterdam nahm Filip von Zesen im Jahre 1664 vor. In der Reihe "Europäische Stadtkultur" erschien dieses Werk im Jahre 1988 als Nachdruck unter dem Titel: Europas Erster Baedeker Filip von Zesens Amsterdam 1664. Die Einleitung stammt von Christian Gellinek; zusätzlich enthält der Band Reproduktionen zeitgenössischer Ansichten der Niederlande, die auch im Originalwerk eingebunden waren.

In der Einleitung erläutert Gellinek ausführlich das Entstehen des Werkes, das in Konkurrenz zur Stadtbeschreibung von Olfert Dapper (in holländischer Sprache) stand. Darüber hinaus wird ein Abriß der Lebensgeschichte dieses Autors wiedergegeben und auf seine sprachlichen Formulierungkünste hingewiesen: "Ohne Zögern darf er quantitativ als der größte deutsche (mancher würde sagen, deutschtümelnde) Spracherneuerer dieser Zeit gelten." Die Beschreibung dieser großen Stadt umfaßt knapp 400 Seiten Text und einen Anhang mit Register und einer "Erinnerung an gutherzigen Leser".

Das Faksimilieren alter Werke ist sehr verdienstvoll, insbesondere dann, wenn sie erläutert werden, um die Gebrauchsfähigkeit zu erhöhen. Damit wird der Zugang für ein breiteres Publikum erleichtert. Leider sind einige Stellen nicht in gut lesbarer Wiedergabe; das mag am Original liegen.

Zitiert wird dieses Werk noch im Reiselexikon von C. Chr. Schramm von 1744; Stagl hat in seiner Schrift über "Apodemiken", in der er auch Reiseführer aufführt, leider keine Notiz davon genommen.

Warum Zesens Amsterdam "Europas erster Baedeker" genannt wird, wird nicht erhellt. Zu vermuten ist, daß der Herausgeber die Bedeutung dieses Bandes auch in sprachlicher Hinsicht hervorheben wollte. Es darf daran erinnert werden, daß Martin Zeiller schon vor Zesen in deutscher Sprache verschiedene Reisehandbücher verfaßt hat; sein erster Band von 1632 wird schon lange als "erster Baedeker" bezeichnet. Aber dieses sollte nicht so gewichtig genommen werden. Interessanter ist, daß Martin Zeiller an mehreren Stellen 1632 und 1640 in seinen Reisehandbüchern über Deutschland, Gallien und über Burgund und den niederländischen Kreis über Amsterdam berichtet.

Bibliographie: Europas erster Baedeker Filip von Zesens Amsterdam 1664, mit einer Einleitung herausgegeben von Christian Gellinek, in der Reihe: Europäische Stadtkultur, Bd. 2, XXII/5 nn.Bl./398 S., 13 nn.Bl. plus 36 nn.Bl. Abbildungen. Leinen. New York/Bern/Frankfurt am Main/Paris 1988. DM 104,--.

REISEBUCH EUROPA 1402

Von Lorenzo Camusso erscheint unter diesem Titel in deutscher Übersetzung ein Einblick in die Reisemodalitäten des ausgehenden 15. Jahrhunderts. In thematisch aufbereiteten Kapiteln wie z.B. "Berge und Herbergen", "Die Pilgermuschel" oder "Das Tor nach Asien" werden die klassischen Reiserouten vorgestellt. Eine Kartenskizze zeigt diese Wege, die dann in den Abschnitten in Text und zeitgenössischen Bildern erläutert werden. Als Beispiel dürfen die Wege von Wien über Krakau, Minsk nach Moskau, oder von Antwerpen über Paris nach Marseille oder von Nürnberg über Augsburg nach Venedig genannt werden. Als Textprobe ein Auszug aus dem Kapitel "Herbergen":

"Die Gasthöfe hießen 'Krone', 'Zum Löwen', 'Zum Adler', 'Drei Säulen', 'Mond' oder 'Zum Rad'. Johannes Burcardus stieg in Rimini im 'Engel' ab, und in der Emilia und in Monza traf er zweimal auf den Namen 'Glocke'; eine andere berühmte Herberge dieses Namens war in Rom."

Bibliographie: Camusso, L.: Reisebuch Europa 1492. Wege durch die Alte Welt. Aus dem Italienischen von E Hausmann. 288 S., 130 Farbbilder und 131 s/w- Abbildungen, Leinen. ca. DM 78,--. München (September) 1990.

REISEN IM SCHÖNEN ALTEN SOLOTHURNERLAND

Es gibt viele Aussagen über den Genuß des Reisens; hier darf eine Rezension hinzugefügt werden zu einem Buch, das das Reisen in der Betrachtung zum vollendeten Genuß macht. Gemeint ist das von dem Solothurner Paul Ludwig Feser herausgegebene Buch "Reisen im schönen alten Solothurnerland". Dieses Werk zeigt Regionalgeschichte, ist aber andererseits ein gern bereistes Gebiet der Schweiz. Es sind Berichte von über 200 Besuchern zusammengestellt, kombiniert mit hervorragenden Reproduktionen von Ansichten durch die Jahrhunderte. Trotzdem ist der Band kein 'Bilderbuch', sondern die Vertiefung gelingt durch Text und ausgewogenes Bildmaterial. Damit ist dem Leser die Phantasie des eigenen Denkens geöffnet worden, sich die Reisemöglichkeiten zu den angesprochenen Reisezeiten zu vergegenwärtigen. Es werden die Landschaft vorgestellt, aber auch die Badeorte und Städte, die Reisemöglichkeiten, die Architektur des Beschauers, die Menschen. Natürlich kommen auch bekannte Reiseschriftsteller oder Reisende wie auch die berühmten Verleger von Reisehandbüchern zu Wort. Zum Beispiel J.G. Ebel, der die "Anleitung auf die nützlichste und genußvollste Weise in der Schweiz zu reisen" erstmals im Jahre 1793 veröffentlichte. In einer Vorbemerkung werden biographische Daten des Autors genannt. Den Abschluß dieses auch typographisch einwandfrei hergestellten Werkes bildet "Ein Wort an Reisende" von Lavater.

Bibliographie: Feser, PL.: Reisen im schönen alten Solothurnerland. Bilder und Berichte aus sechs Jahrhunderten. 272 S., 230 farbige zeitgenössische Gemälde, Zeichnungen und Stiche. Leinen, SU. Solothurn 1989. SFR. 78,--.

THURN UND TAXIS, DIE GESCHICHTE IHRER POST UND IHRER UNTERNEHMEN

Im Archiv für Deutsche Postgeschichte erschien 1967 ein Sonderheft zur Geschichte der Thurn- und Taxis'schen Post, das damals einen sehr guten Überblick über das Postwesen in Deutschland und dem benachbarten Europa wiedergab. Nun wird das große Jubiläum (500 Jahre) des europäischen Postwesens mit der Eröffnung der Postroute von Ulm nach Mechelen begangen. Als ein tragendes Element wird die Familie Thurn und Taxis als d i e Posthalterfamilie gefeiert. In allen Postämtern sind Broschüren und Plakate zu diesem Jubiläum zu sehen, Souvenirs werden verkauft, Verkaufsstände werden in Städten aufgebaut und ein Jubiläumsbuch wurde veröffentlicht. Dem Rezensenten fällt auf, daß sehr viel Populäres als Imagekampagne der Post und ihres Ministers damit umgesetzt wird, daß aber (zumindest in der Öffentlichkeit) wenig Qualitätsvolles geboten wird, wie zum Beispiel das Buch über die Schweizer Post von Herrn Wyss. Aber da ist ja das Buch von Wolfgang Behringer über die Thurn und Taxis, das es nun zu rezensieren gilt.

Der Autor war bisher in Fachkreisen mit Literatur über Hexen und Hexenverfolgung bekannt geworden. Nun beschreibt er die Familien- und Firmengeschichte aus 377 Jahren Thurn und Taxis. In den Vorsätzen sind Kartenreproduktionen von Postroutenkarten abgedruckt, die es qualitativ schon seit Jahren wesentlich besser im Archiv für Deutsche Postgeschichte gibt (vielleicht hätte man dort eine Anleihe machen und dem Band beilegen können). Dem Autor muß bescheinigt werden, daß er seine Arbeit streng gegliedert hat und aus dem ihm zur Verfügung stehenden Material einige sehr nachlesenswerte Erkenntnisse zur Firmengeschichte herausgearbeitet hat. Unternehmensgeschichte ist allerdings nicht - im Gegensatz zur Feststellung des Autors - eine junge Disziplin. Firmengeschichte wird schon Generationen betrieben; Veröffentlichungen sind Legion, die heute von Spezialantiquariaten betreut werden. Auch läßt sich nicht die Tendenz der Einleitung verleugnen, in diesem Buch dem hier vorgestellten Unternehmen eine gute PR zu verschaffen; wozu wäre sonst gleich auf S. 9 der Tod eines bayerischen Ministerpräsidenten in die Kult-Philosophie mit aufgenommen worden (die einige Seiten später wiederholt wird). Die Verbrämung dieses Unternehmens hat sich von der sachlichen Darstellung in einigen Passagen entfernt.

Nun zum weiteren Inhalt: Instruktiv sind die ersten drei Kapitel zur eigentlichen Postgeschichte, die auch Reisegeschichte neben der eigentlichen Aufgabe, der Nachrichtenübermittlung, ist. Neuerungen werden mit den Tabellen geboten, wie z.B. auf den S. 108 und 109 zur Postfrequenz und zu den Portoeinnahmen. Diese Angaben sind nachvollzieh- und nutzbar. Zu den Ausführungen über die Fahrpost hätte eine beigelegte Postroutenkarte (siehe die Bemerkung oben) einiges verständlicher gemacht. Nach den Kapiteln über die Familiengeschichte und der kapitalistischen Einflüsse wird im Schlußkapitel auf einer knappen Seite auf Post-Reisehandbücher und Postkarten kursorisch eingegangen. Sätze, wie "Post-Reisehandbücher und Post-Karten schufen eine neue Qualität des Tourismus" hätten kausal erläutert werden müssen. Der Ausspruch von Martin Zeiller gehört übrigens nach dem im Jahre 1562 genannten italienischen Werke eingeordnet; Martin Zeiller war im 17. Jahrhundert tätig. Es ist schade, daß gerade in diesem Zusammenhang nicht neue Quellen verwendet wurden, daß z.B. Hinweise auf das Routenbüchlein des Augsburgers Jörg Gail oder auf Reisehandbücher fehlen, die ausführliche Fahrpläne enthielten. (Der Hendschel-Atlas ist das erste Mal erst 1844 erschienen). Der sehr ausführliche Anhang erschließt das Buch über die Annotationen, das Literaturverzeichnis und die Namens- und Sachregister. Die Schwerpunkte sind gezielt auf das Wirtschaftsunternehmen und die gesellschaftliche Position der Familie Thurn und Taxis gesetzt. Dieses ist in hohem Standard gelungen.

Bibliographie: Behringer, W : Thurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen. 494 S., 21 farbige und 67 s/w-Abbildungen und zahlreiche Kartenskizzen und Diagramme. Leinen, SU. München/Zürich 1990. DM 68,--.

150 JAHRE EISENBAHNEN IM RHEINLAND

In der Reihe "Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland" erschien 1989 der Band 30: "150 Jahre Eisenbahnen im Rheinland. Entwicklung und Bauten am Beispiel der Aachener Bahnen" von Lutz-Henning Meyer. Der Band ist in einen Text- und in einen sehr umfangreichen Bildteil aufgeteilt. Der Text erläutert zuerst die wirtschaftliche Entwicklung des Aachener Raumes und die Geschichte der Eisenbahngesellschaften. Die dann folgenden Abschnitte über Eisenbahnbauten sind auch für einen technischen Laien in diesem Zusammenhang interessant, weil sie einen umfassenden Überblick über die Eisenbahnanlagen geben und damit die Kultur des Eisenbahnreisens über Bahnhofsgebäude und Empfangshallen nahebringen. Vieles versucht man, heute als denkmalswürdig zu bewahren, soweit es nicht schon längst abgerissen wird. Das vor über 150 Jahren begonnene Eisenbahnzeitalter war nicht nur die nüchterne Verbindung, die schneller war, sondern sie rief eine neue soziale Ordnung bzw. am Anfang Unordnung hervor, die für den Aachener Bereich in diesem umfangreichen Band lebendig dargestellt ist. Die rauchenden Schlote der Fabriken, die auf den Eisenbahnverkehr angewiesen waren, muten uns heute umweltverschmutzend an. Dabei vergessen wir allzuschnell, daß eine wirtschaftliche Industrialisierung damit verbunden war. Im Kartenteil läßt sich das wachsende Eisenbahnnetz nachvollziehen (1843-1985); aber auch die Trassen zeigen, wie die Landschaft für die sich entwickelnden Verkehrsströme genutzt wurde. Das Literaturverzeichnis und die Register erschließen den Band, der in der Beschränkung auf einen Wirtschaftsraum ein Stück Industrie- und Sozialgeschichte innerhalb der Verkehrsentwicklung Deutschlands gut gelungen aufzeigt.

Bibliographie: Meyer; L.-H.: 150 Jahre Eisenbahnen im Rheinland. Entwicklung und Bauten am Beispiel der Aachener Bahnen. In der Reihe: Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland, Bd. 30., 671 S./zusätzlich eingeschoben zw. S. 48/49: VIII S., mit vielen Abbildungen und Karten. SU. Köln 1989. DM 148,--.

EISENBAHN GÖTTINGEN - BODENFELDE. BAHNLINIE - LEBENSLINIE Das Buch trägt zusätzlich den Untertitel "ein Lehrstück vom Umgang mit dem 'Hinterland'.

Im Anschluß an die Besprechung zur Rheinischen Eisenbahn ist dieses ein Dokument des langwierigen Bemühens um die Erschließung eines Hinterlandes, das zwischen der Universitätsstadt Göttingen und der Weser liegt. Dieser "Kampf" dauerte erst einmal rund 40 Jahre bis zur Genehmigung der Streckenführung, und danach noch wieder einige Jahre bis zur Eröffnung im Jahre 1910. Ähnliche Bemühungen gab es z.B. um den Bau der sog. Wesertalbahn, die zur verbindenden Erschließung der Oberweser zwischen dem Bahnhof in Bad Karlshafen über Holzminden nach Hameln dienen sollte. Diese Bemühungen wurden bis 1929 fortgesetzt; sie erreichten nie ihr Ziel. Dafür nennt man das Land heute noch trotz Autostraßen "das Land hinter dem Tunnel" (gemeint ist der Tunnel bei Greene als Abzweig der Strecke von Kreiensen in Richtung Altenbeken).

In dem hier vorzustellenden Band findet sich die neueste deutsche Regionalgeschichte, die den ungleichen Kampf des Hinterlandes mit den Magistralen erläutert. Inzwischen ist diese Auseinandersetzung seit Jahren in voller Stärke in die andere Richtung entbrannt. Die Bundesbahn baut Strecken ab und entblößt damit die ländlichen Regionen. Die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit von Teilregionen vom öffentlichen Verkehrsnetz läßt sich an vielen Entscheidungen nachvollziehen. Nicht nur der Abbau von Arbeitsplätzen durch sich verringernde Infrastruktur (ohne Schaffung von Ersatz) wird dadurch bewirkt; viel stärker führt das Veröden ländlicher Regionen zum Attraktivitätsverlust für die kommenden Generationen.

Nun hoffen die Autoren, durch ihre hervorragende Dokumentation zur Belebung dieser Strecke als verkehrstechnische Alternative zum Individualverkehr beizutragen. Vor Jahren stellte der Rezensent eine Arbeit zum Bau der Eisenbahnstrecke München-Augsburg vor; nun werden Bücher vorgestellt, die nicht nur Historie und Nostalgie sind, sondern die dazu ermuntern, sich mit Regionalgeschehen auseinanderzusetzen, um wirtschaftliche Bedingungen im Sinne von Umweltverträglichkeit und von Gemeinsinn wiederzuerkennen. Es ist sicher eine technische Meisterleistung, wenn die Schnellbahntrasse in Nord-Süd-Richtung eröffnet werden wird. Es wäre aber eine größere gesellschaftspolitische Meisterleistung, wenn zur Herstellung ähnlicher regionaler Lebensqualitäten das Verkehrswesen der Öffentlichen Hand auch im 'Hinterland' wieder aufgebaut wird. Dazu kann dieses Buch einiges Nachdenkenswertes liefern.

Bibliographie: Meier, G./Busse, G./Henne, H./Lorenz, K.-E: Eisenbahn Göttingen - Bodenfelde. Bahnlinie-Lebenslinie. Ein Lehrstück vom Umgang mit dem 'Hinterland'. 96 S., viele Abb. und Kartenskizzen. Nordhorn 1989. DM 29,80.

DER NEUE TOURISMUS. RÜCKSICHT AUF LAND UND LEUTE.

Der Tourismus hat sich seit Jahren in Dimensionen entwickelt, so daß schon viele negative Nebenerscheinungen dabei aufgetreten sind. Das Klagelied, daß der Reisende im fremden Lande die Gewohnheiten und Lebensbedingungen durch seine oft aufdringliche Anwesenheit beeinträchtigt, ist alt. In Taten Pilgerberichten und in Reiseführern des vorigen Jahrhunderts läßt sich Erkennbares darüber nachlesen (siehe auch dazu die Bemerkungen im Aufsatz von Herrn Krumbholz in diesem Heft). Wenn Weber von 1000 jährlichen Besuchern auf dem Brocken um 1830 spricht, ist es aber doch ein großer quantitativer Unterschied zu dem, was sich heute abspielt. Der Massentourismus, egal ob um des Reisens willen oder auf Geschäftsreise (Definition von Prof. Schlözer in seinem Reisekolleg von 1795/96), häuft die Beeinflussungen, die ihre Spuren hinterlassen.

Zu dieser Entwicklung ist ein Sammelband erschienen, der in zwei Hauptabschnitten "Beweggründe, Zahlen, Probleme" und "Fallbeispiele" Tendenzen aufzeigt, die das Konsumgut 'Urlaub' mit sich brachte. Martina Neuer versteht es, in ihrem einleitenden Referat knapp und präzise die Funktionen und Motivationen des Reisens zu interpretieren. Dem Rezensenten sind dabei zwei Schlüsselsätze aufgefallen: "Freizeit und Tourismus stehen in enger Wechselbeziehung zu allen anderen Lebensbereichen" und "...nährten aber gleichzeitig auch das menschliche Bedürfnis, diesem unmenschlich gewordenen, nur auf Leistung und Zuwachs orientierten Leben zu entfliehen". Daß der Urlaub - verbunden mit Urlaubsstreß - diese Wünsche oft nicht erfüllbar macht, gehört auch zu der Erkenntnis. Dazu kommt dann noch eine dritte Charakterisierung, die zu Konfliktsituationen beiträgt: "Ein Land wird nicht als Ganzes gesehen, sondern nur in seiner Rolle als Urlaubsort betrachtet und nach seinem touristischen Nutzen beurteilt." Der Aufsatz zur Geschichte des Reisens ist sehr kursorisch anhand von Allerweltsquellen; viel aktualitätsnäher sind alle anderen Aufsätze, die sich mit den Erkenntnissen und Erscheinungen des Touristen des ausgehenden 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Hier gilt es aufmerksam zu lesen, um daraus zu lernen. Die Beispiele zur Tourismusentwicklung im Alpenraum, zum Trekkingurlaub als "Alternativtourismus" stehen anderen Beispielen des möglichen 'sanften Tourismus' gegenüber. Das Lernen ist notwendig, weil der Anstand es gebietet, aber auch, weil der Massentourismus dazu beitragen würde, daß es in einem Kollaps zu Aggressionen größeren Ausmaßes kommen könnte.

Ein ernstes, lesenwertes Beispiel-Buch.

Bibliographie: Ludwig, K./Has, M./Neuer, M.: Der neue Tourismus. Rücksicht auf Land und Leute. Mit einem "Nachwort" von Andre Heller. 172 S., München 1990. DM 19,80.

DEALING WITH GERMANS

Als 1836 der Verleger Karl Baedeker sein Traveller's Manual veröffentlichte, dachte er in erster Linie an die englischen Touristen, die die Rheinlande besuchten. Nun versucht wieder ein Verlag, einen Führer für Geschäftsreisende anzubieten, die aus dem "gelobten Land" nach Deutschland reisen. Die Reisegeschwindigkeiten haben sich verändert, die unterschiedlichen Gewohnheiten scheinen geblieben zu sein. Diese Publikation stellt allerdings keine Redensarten zusammen, sondern versucht, in einer Synopsis in englischer und deutscher Sprache die Reisenden auf Deutschland einzustellen. Die Autoren betonen, daß sie sich abseits von Klischees mit den Unterschieden des täglichen Lebens auseinandersetzen. Damit soll dem amerikanischen Geschäftsreisenden das Verhandeln erleichtert werden. Auf der anderen Seite macht es direkt Vergnügen, sich selber einen Spiegel vorgehalten zu bekommen, aus der Sicht der amerikanischen Autoren. Zuerst war der Rezensent erschrocken, als er die Titel "Prof. Dr." bei den beiden Autorennamen las, aber es handelt sich um Deutschlehrer an Colleges, die sich an diesem Buch versuchen. Es sind viele nützliche Erläuterungen zu unseren Lebensgewohnheiten enthalten, die dem Reisenden fremd sein könnten. Aber dieses Buch regt auch an, es selber einmal auf eigenen Reisen zu beobachten bzw. nachzulesen, ob "der Deutsche" sich in dem oder in einem anderen Fall wirklich so verhält, wie beschrieben. Vieles in der Kleidung hängt von Strömungen ab, die schnell wechseln. Da heißt es z.B., daß sich Damen in der Geschäftswelt konservativ kleiden (grau, braun, dezent) - dem muß der Rezensent energisch widersprechen. Das Frühstück in Deutschland wird wie folgt beschrieben:

"Das traditionelle deutsche Frühstück besteht aus starkem Kaffee oder Tee, Brötchen, Marmelade, Aufschnitt und vielleicht einem weich gekochten Ei."

Auch diese Eßgewohnheiten haben sich geändert. Es wird sehr viel Vergleichendes gebracht, um Unterschiede zu zeigen; manches kann aber den deutschsprachigen Leser nur belustigen, da die Autoren anscheinend von einigen eigenen Erlebnissen zu sehr verallgemeinern (siehe z.B. das Kapitel über Sex). Schädlich für ein abgewogenes Deutschlandbild wird dem amerikanischen Reisenden unter dem Abschnitt "Politik" vorgelegt. Es wird eine scharfe Trennung gezogen zwischen Parteien, die dem Geschäftsklima günstig sind und 'anderen'. Das führt nicht nur zu Irritationen, sondern ist schlicht gesagt "zu einfach".

Bibliographie: Schons, PA./Clay, G.: Dealing with Germans. A Guide for the Business Traveller. Umgang mit Deutschen. Ein Führer für den Geschäftsreisenden. 119 S., broschiert. Abbildungen. New York/Lünen 1990. DM 17,80.

Lesenswerte Bücher
In "Reisen und leben" Heft 20, S. 31-39.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1990)
ISSN 0936-627X


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