Reisen und leben, Heft 23 / 1992

Berlin-Reiseführer heute

Burkhart Lauterbach hat anläßlich des 27. Deutschen Volkskundekongresses in Göttingen im Jahre 1989 einen Vortrag unter obengenanntem Titel gehalten. Der Untertitel lautet:

Zum Umgang mit Geschichte in einem touristischen Gebrauchsmedium.

Am Beispiel einiger ausgewählter Reiseführer über Berlin analysiert der Autor die Inhalte und zieht daraus Vergleiche. Einleitend schreibt er:

"Es kann natürlich sein, daß ich einer von diesen ewigen Meckerfritzen bin, die an allem etwas auszusetzen haben, so auch am Reiseführer. Falschinformationen und abstoßende Aufmachung, kunsthistorische Spezialinformationen und Verweise auf von mir nicht einzuordnende Herrscherhäuser, unpräzise Beschreibungen und unbeholfene Formulierungen, unsinnige Superlativinformationen wie der Höchste, die Schönste, das Größte und nicht memorisierbare Daten-Aneinandersetzungen..., so und ähnlich lauten meine eigenen Beanstandungen." Und dann kommt der Autor zur Schlußfolgerung, daß er es mit einem Motto genau nimmt, das Paul Feyerabend 1981 formulierte:

"Fachleute sind voll von Vorurteilen, man kann ihnen nicht trauen und muß ihre Empfehlungen genau untersuchen."

Die Vergleiche unter den einzelnen Reiseführern über Berlin sind frappierend, aber nicht wegzuleugnen. Es gibt große Unterschiede in der Darstellung (was unter subjektiven Gesichtspunkten verständlich sein könnte), Die Präzision und die genaue Wiedergabe sind leider nicht in allen Reiseführern zu finden. Das könnte auf folgende Gründe zurückzuführen sein:

- Autoren haben nicht immer eine vertiefte Kenntnis des zu beschreibenden Gebietes, sie stehen unter Zeitdruck, das Honorar ist knapp;

- das Lektorat hat in einigen Verlagen nicht die Funktion einer sachgerechten Kontrolle mangels Fachwissen;

- Marktabläufe fragen nicht immer nach Qualität, sondern in vielen Fällen nach Quantität.

Der Konsument, der vom Durchschnittsbuchhändler nicht beraten wird, ist eine Marktmacht, die er aber bisher nicht nutzt. Woher soll der Buchhändler auch wissen, was touristisch richtig ist? Viele Verlage wissen es auch nicht.

Die Arbeit von B. Lauterbach ist eine nachdenkenswerte Untersuchung, die weiterzuentwickeln ist. Erst wenn die touristischen Bedürfnisse richtig erkannt und nicht fernab touristischer Abläufe vom verlegerischen grünen Tisch in der Masse hergestellt werden, wird sich die Qualität bestimmter Produkte verbessern.

Lauterbach, B.: Berlin-Reiseführer heute, zum Umgang mit Geschichte in einem touristischen Gebrauchsmedium, in: Bönisch-Brednich, B./Brednich, R.W./Gerndt, H. (Hrsg.): Erinnern und Vergessen, Sonderdruck aus: Beiträge zur Volkskunde in Niedersachsen, Göttingen 1991.

Berlin-Reiseführer heute
In "Reisen und leben" Heft 23, S. 16.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1992)
ISSN 0936-627X


Antiquariatsmesse Köln mit Schwerpunkt ReisenTable of contentsLiteratur-Liste zur Geschichte des Reisens, 2. Teil

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