Reisen und leben, Heft 24 / 1992

Farewell - zum Ende von REISEN & LEBEN

Zu unserer Ankündigung, REISEN & LEBEN mit dieser Nummer einzustellen, gingen viele Anrufe und Schreiben ein, von denen wir - nicht ohne Wehmut, aber auch mit ein wenig Freude - einiges wiedergeben möchten:

Seit Anfang unseres Verlages ist die Firma Kohl & Noltemeyer, Hannover, ein sehr angesehener Fachverlag, unser Kunde. Die Verlagsleitung schreibt uns am 4. Juni 92:

"Ihr Rundbrief vom 02.06. dieses Jahres hatte natürlich schon die Wirkung einer kleinen Bombe. Sicher gibt es eine Fülle von Gründen, die Sie zu Ihrem Entschluß geführt haben. Wenn ich an die Aktivitäten denke, die ich mit Dank über die Posteingänge registrierte, so ist es für mich leicht, Ihre Entscheidung nachzuvollziehen. Gerade in diesen Tagen fiel mit in den Informationen der Fa. Wachholtz der Hinweis auf Ihre Zeitschrift besonders ins Auge. Ich will in diesem Briefe nicht von "Meilensteinen" sprechen; denn dieses Stichwort möchte ich mir für das Grußwort aufsparen. Im übrigen möchte ich eine Seite mit meinen Riebeling-Titeln belegen."

Herr und Frau Krohn aus Riemerling schreiben:

Die erste Reaktion: "Das kann doch nicht wahr sein!" Soll dieses lebendige und funkelnde Band, das über ein dutzend Jahre einige hundert Menschen mit gleichen Interessen verknüpfte, soll "Reisen und Leben" so sang- und klanglos von der Bühne abtreten? Dann stellt sich ein Gefühl der Trauer ein, verbunden mit einer großen Portion Verständnis, denn allzu nah hatte man ja miterleben können, wie zuletzt immer neue Versuche, die vordem so erfolgreichen "Baedeker-Symposien" mit neuem Leben zu erfüllen, trotz erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand des Ehepaars Hinrichsen kläglich scheiterten. Was also bleibt? Zuerst einmal der herzliche Dank des Häufleins Getreuer, die sich in den langen Jahren immer über jedes neue Heft freuen durften, und dann der große Respekt vor der persönlichen Leistung der beiden Herausgeber, die mit engagierter, ja leidenschaftlicher Arbeit einen von der Wissenschaft vorher vernachlässigten Bereich der Kulturgeschichte mit erschließen konnten. Daß dabei das, was anfangs Hobby war, schließlich zur Lebensaufgabe wurde, verdient Hochachtung.

Bleibt schließlich die Hoffnung, daß in irgendeiner Form doch noch ein fachlicher und menschlicher Kontakt erhalten bleiben möge, Phantasie ist hier gefragt.

Ein Brief von Dr. Lorenz Stäger, CH-Wohlen, lautet:

Baedeker und Hinrichsens sei Dank!

Dieses Jahr bin ich fünfzig. Romane habe ich genug gelesen, einige auch geschrieben, Fachliteratur konsultiere ich bloss, die tägliche Ration Weltpolitik liefert mir die Neue Zürcher Zeitung, Filme vermögen mich nur bis zur Pause zu fesseln, Fernsehen - Gott verzeihe ihnen! Was bleibt, ist Baedeker. Vor dem Einschlafen einen der handlichen roten Bände aussuchen: Palästina und Syrien, 1910, Praktische Vorbemerkungen. Einen Kontrakt mit dem Dragoman abschliessen, der liefern soll: "ein Speisezelt mit Tisch und Stühlen, ein "Kabinett-Zelt", sowie für je zwei Personen ein Schlafzelt mit zwei vollständigen reinen Betten." Nicht vergessen, dass zu Besuchen ein schwarzer Rock nicht notwendig ist. Auch den Frack darf man zu Hause lassen, und ein Regenschirm hat wenig Wert. Hingegen Magnesiumdraht (bandförmig) zur "Erleuchtung grösserer dunkler Räume".

Baedeker hat mich wieder, die Welt von 1992 kann mir gestohlen werden. Gute Nacht.

Dr. Michael Berndt, Göttingen, meldete sich (siehe seinen Artikel in diesem Heft):

Schade, daß es R&L bald nicht mehr gibt. Herzliche Grüße an Sie beide

Dr. Wolfgang Griep, Eutin, schrieb (siehe auch seinen Artikel in diesem Heft):

Zu der traurigen Nachricht über das Ende von "Reisen und Leben" will ich nichts mehr sagen. Sie wissen, wie sehr ich es bedauere, daß es diese kompetente und notwendige Zeitschrift nicht mehr geben wird.

Ich hoffe sehr, daß wir in Verbindung bleiben.

Der "Nordische Cavalier" (der "Reisen und Leben" in keiner Form ersetzen kann) steht Ihnen jedenfalls offen.

Mit herzlichen Grüßen

Helga und Heinrich Kloth, Frankfurt/M., äußerten u.a.:

Nun kam gar auch Ihr Brief vom 2.6.1992, im welchem die Mitteilung zu lesen war, daß jetzt leider auch "Reisen und Leben" nicht mehr kommen sollte. Es ist unerhört schade und ich sah mich nicht so recht imstande, Ihnen ...ein paar Worte schreiben zu können .... Es ist alles so schade, daß der schöne Idealismus, der uns alle beschäftigt hat, nun keine Hinwendung mehr hat.

Und dann hat noch Johan van Minnen geschrieben:

REISEN & LEBEN - auch in einem Europa, wo gerade zum Reisen wieder neue Barrieren und zum Leben neue Einschüchterungen aufgeworfen werden.

Soll man deswegen nun das Reisen und das Leben einstellen? Mitnichten, und wäre es nur, weil noch so vieles zu erfahren übrig bleibt.

Neues, hinblickend auf Altes. Keinem kann diese Verknüpfung genommen werden, auch nicht dadurch, daß plötzlich eine Zeitschrift, bislang so zuverlässige Bake, in der gegenwärtigen Kommerzwelle untergeht.

Zuverlässige Quellen bleiben uns zum Glück erhalten. Niemand ist genauer, um die ganze verworrene Lage auf dem Balkan zu verstehen, als der Baedeker 1913 "Österreich-Ungarn" (die letzte vor-vor-Vorkriegsausgabe!). Kaum einer einleuchtender für die "Umbenennung" so mancher Straße in den Dreißiger Jahren, als der schlichte "Woolworth-Grieben". Und was hat wohl den Herrn Meyer bewogen, nur zwischen 1898 und 1904 seine "bewährten und unentbehrlichen Ratschläge für Radfahrer" herauszubringen, sie dann sang- und klanglos wieder verschwinden zu lassen? Verschwinden, verdunsten - aufbrechen, dahingehen. Es gehört zur Fahrt, es gehört zur Wanderung. Ach, laßt uns reisen, laßt uns leben, und vielleicht sogar mal wieder einkehren. Voller Wehmut

Utrecht, im Juli 1992

Und wir wollen auch nicht verschweigen, daß wir nicht nur immer Lob bekommen haben, sondern auch Kritik, z. T. herbe Kritik. Als wir merkten, daß die "Mitteilungen für Baedeker-Freunde" als Tauschforum begannen auszuarten, da einige Leser das "Recht" beanspruchen wollten, über die Inhalte zu bestimmen, stellten wir diesen Service ein. In jeder Redaktion gehen auch Zuschriften ein, die nicht zur Veröffentlichung kommen: Es fehlt der Platz, oder die Inhalte passen nicht zum Generalthema. Da hatten wir wenig Probleme. Aber trotzdem wurde leider manches nicht veröffentlicht.

In Zusammenhang mit dieser Schriftenreihe sei an drei Persönlichkeiten erinnert, die zwischen 1980 und 1992 gestorben sind: Florian Baedeker, Eva Baedeker und Günter Herbsleb.

Die Anzahl der Autoren war immer ausreichend. Allen sei der Dank ausgesprochen, da sie ehrenamtlich, d.h. ohne Honorarforderung mitarbeiteten. Alle Namen können aus Platzmangel hier nicht mehr aufgeführt werden, aber einige dürfen wir nennen (zusätzlich zu den Autoren dieses Heftes): L.L. Boyle, R. Öhlberger, Rolf Dibbert, Heidi Engelmann, Eike Eitzen, Wolfgang Lierz, Wilhelm Tausche, Friedrich A. Wagner, Eva Lüdorf, Keith Manning, Gerald Sawade, Mathias Feige, Andreas Oehlke, Wolfgang Rumpf, Heinrich Kloth, Monika Bankowski, Hans Krumbholz, Reinhold Janus, Karl-Ludwig Seelig, Susanne Luber, Helmut Foerster, Tony Fekete, Christiane Keitz, Renate Völkner-Vree, Klaus Beyrer, Wolfram Grohs, Hans-Jürgen Ketz, Henning Kluger, Michael Meinhold, Hansjörg Kalcyk, Heinrich Krohn, Gabriele M. Knoll, Gisela Rüß, Walter Eder, Kristiane Klemm, Carlos Kühn, Johan van Minnen, Gerhard Peters, Stephan Kohl, Gerhard Schadow, Heinz G. Kruse, H.M. Ottness, Karl Neuhoff.

Statistik: 912 Seiten in 24 Heften von 1980-1992.

Farewell - zum Ende von REISEN & LEBEN
In "Reisen und leben" Heft 24, S. 19-22.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1992)
ISSN 0936-627X


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