Reisen und leben, Heft 24 / 1992

Die ausführliche Rezension

ERINNERUNGEN AN ITALIEN

Karl-August von Hase hatte "Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte" Anfang des 19. Jh.s. geschrieben, die jetzt nach der Originalausgabe von 1890 wieder 1992 erschienen sind. Der junge Theologe von Hase hatte mit Hermann Härtel 1829 eine Bildungsreise nach Italien angetreten. Als 29-jähriger hielt er in Briefen seine vielfältigen Eindrücke fest, die er an die Schwester seines Freundes Hermann gerichtet hatte. Sie sind vergleichbar und reizvoll zu lesen als Pendant des 1803 veröffentlichten "Spaziergangs nach Syrakus". 9 Monate waren die beiden jungen Männer unterwegs.

Um die Reisemöglichkeiten und die Reiseeindrücke dieser Zeit, kurz vor Beginn des Eisenbahnzeitalters zu verstehen, gehört neben dem schon erwähnten "Spaziergang nach Syrakus" Karl-August von Hases Erinnerungen dazu. Der deutsch-italienischen Vereinigung in Frankfurt ist es zu verdanken, daß die Neuauflage 1992 erfolgte.

Karl-August v. Hase: Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte, hrsg. von der deutsch-italienischen Vereinigung e.V. Frankfurt, 366 Seiten, DM 36,--, ISBN 3- 7758-1256-3, von Hase & Koehler Verlag Mainz 1991.

SEHEN UND BESCHREIBEN

Der Tagungsband "EUROPÄISCHE REISEN IM 18. UND FRÜHEN 19. JAHRHUNDERT", herausgegeben von Wolfgang Griep über das 1. Eutiner Symposion vom 14.-17. Februar 1990, ist nun erschienen. In Reisen & Leben ist über die Tagung ausführlich berichtet worden. Der Tagungsband ermöglicht nun, das Nachvollziehen der gesamt hervorragend verlaufenden Veranstaltung.

Forschungsprojekte, Reisen und Reisende sowie Miszellen sind die einzelnen Abschnitte, in die die Referate untergliedert sind. Erstmals werden ansatzweise bekannte Forschungsprojekte zum Thema "Reisen" im Anhang aufgeführt. In Berlin, Bonn, Darmstadt, Essen, Eutin, Frankfurt/M., Hamburg, Kassel, Kopenhagen, Lissabon, München, Osnabrück, Paderborn, Paris und Zürich werden Untersuchungen vorgenommen. Nicht genannt werden Untersuchungen außerhalb des universitären Bereichs bzw. erfolgte Dissertationen und Arbeiten freier Autoren, die Grundlegendes geschaffen haben. Er konnte als Band 1 der Eutiner Forschungen, die im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Kultur und der Erwachsenenbildung in Ostholstein veröffentlicht werden, herausgegeben werden. Alle diese Aufzählungen bleiben Stückwerk, solange sie nicht konsequent zusammengetragen werden. Dieses hätte einen Sinn für weitergehende Forschungen unter Vermeidung von Doppelarbeit.

Griep, Wolfgang: Sehen und beschreiben, Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, 333 Seiten, mit einigen Abbildungen, ISBN 3-8042-05349-6, Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide 1991, DM 38,--.

UND WARUM HABT IHR DENN DEUTSCHLAND VERLASSEN?

Heinrich Krohn legte Anfang dieses Jahres, nach mehrjähriger, sehr sorgfältiger Vorarbeit, sein 3. Buch vor. Es befaßt sich mit der Auswanderung von Deutschland nach Amerika. Zum sog. 500-jährigen Jubiläum der "Entdeckung von Amerika" paßt dieser Titel mit nachdenklichem, gut recherchiertem Inhalt. Wer Heinrich Krohn kennt, weiß, daß er sich immer sehr bemüht hat, ein spezielles Thema abgerundet darzustellen. Der chronologische Aufbau ist unterbrochen von einigen Exkursen, wie z.B. "Der Lemmings-Zug der Dreizehntausend". Hier wird in ergänzenden Facetten etwas herausgehoben, was beispielhaft nicht nur die wirtschaftliche und seelische Situation der Auswanderungswilligen beleuchtet, sondern auch als jeweils einzelner Abschnitt gut lesbar ist. Hier wird Reisen einmal dargestellt ohne touristische Schminke, ohne die Verbrämung z. T unwirklicher Wunschvorstellungen. Es wird dabei bewußt, daß Reisen aus Not und Abenteuerlust aber auch als Flucht zu verstehen ist. Wie gut können wir dieses heute nachvollziehen, wenn wir die täglichen Medien konsultieren?!

Das Buch wird erschlossen von einem Literaturverzeichnis, ausführliche Hinweise zu den Anmerkungen, einem Stichwortverzeichnis und einer Tafel zu den Zahlen der Auswanderer zwischen 1820 und 1914.

Es ist sicher im Augenblick noch zu früh, über die Auswanderungsversuche ab 1930 ausführlicher zu berichten. Es ist gut, daß Heinrich Krohn die ersten Ansätze dazu gebracht hat. Die Schicksale der Ausgewanderten sind zum Teil durch Literatur bekannt. Ein frühes Heft der Zeitschrift "Du" belegt fast unvorstellbare Schicksale, die die Emigranten während des Dritten Reiches erlebten. Hermann Hesse und Bertholt Brecht haben darüber berichtet genauso wie Oskar Maria Graf. Es gibt aber auch noch viele Ungenannte, die die Auswanderung des 20. Jahrhunderts erlebten. Der Rezensent begleitete selber als Reisebüroangestellter Ende der 50-er Jahre Auswanderer zu den Schiffen nach Bremen und Bremerhaven, später als Mitarbeiter einer, heute nicht mehr existierenden, Fluglinie. Ein Schicksal wird ihm dabei unvergessen bleiben: Ein Inder kam nach Deutschland, um hier zu lernen. Es schlug ihm großer Fremdenhaß entgegen, so daß er sich als Auswanderer nach Kanada bewarb. Er lebt heute noch als Forscher im ewigen Eis Nord-Kanadas und hat erst dort seinen Frieden gefunden.

Das Buch von Heinrich Krohn wird hoffentlich eine Standardlektüre aller Leute, die sich mit dem Reisen beschäftigen.

Krohn, Heinrich: Und warum habt Ihr denn Deutschland verlassen? 300 Jahre Auswanderung nach Amerika, 352 S., ISBN 3-7857- 0632-4, Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach, 1992, DM 39,80

Rezensionen
In "Reisen und leben" Heft 24, S. 36-37.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1992)
ISSN 0936-627X


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