Reisen und leben, Heft 19 / 1989

Hans-Jürgen Ketz:

Schreger: Reisediätetik. Praktische Gesundheits- und andere Lebensregeln für Reisende zu Lande und zu Wasser.

Der handliche Band, fünf Jahre vor dem ersten Baedeker erschienen, ist ein bisher kaum bekannter Ratgeber zur Gesundheitspflege unterwegs (und wohl der erste seiner Art). Schon die Einleitung unterstreicht den Stellenwert des Reisens in jener Zeit: "Das Reisen im Vaterlande und ins nahe oder ferne Ausland wird unter allen Ständen immer beliebter; es gehört jetzt leicht mehr, als je, zum guten Weltton,' und zu den Hochgenüssen, ja wohl Bedürfnissen des Lebens für Viele!"

Der Verfasser beginnt mit Anweisungen grundsätzlicher Art für den Reisenden; besonderen Nachdruck legt er auf Abhärtung und einfache, aber gesunde Kost, um sich unterwegs den vielfältig wechselnden Einflüssen anpassen zu können. Es folgen die naheliegenden Ratschläge zur Wahl der günstigsten Jahreszeit, der zweckmäßigen Kleidung, zu Körperpflege und Hygiene. Daneben finden sich aber z.B. auch Warnungen vor den Ausdünstungen "langer verschlossen gewesener Gewölbe", Höhlen, Schächte, Gruften usw., vor Bienenschwärmen und Gewittern - nebst entsprechenden Maßnahmen zu erster Hilfe. Hohe Ansprüche soll der Gast an seine Unterkunft stellen: Schreger empfiehlt nur "die besuchtesten Gasthäuser" oder "Zimmer im höheren Stockwerk eines Privathauses", weit abseits von "Hausabtritten, Fleischbänken, Gerbereien, Kirchhöfen". Maßvoller Genuß von Speisen und Getränken - namentlich ungewohnter - gebietet sich von selbst.

Wichtig ist dem Verfasser auch die psychische Kondition auf Reisen; so "muß man stets in guter Laune, und freundlich gegen Jedermann seyn." Heftige "Gemütsbewegungen" sind unbedingt zu vermeiden - also z.B. auch der Besuch von "Kranken- und Irrenhäusern, ... den trüben Nachtseiten des Menschlichen und dessen Verzerrungen."

Kapitelweise folgen nun spezielle "Gesundheits- und Lebensregeln" für Fußreisende - Gebirgswanderer - Soldaten auf dem Marsche - Reisende zu Pferde bzw. Wagen - Brunnen- und Badereisende - Reisende auf See bzw. Binnengewässern - und schließlich für Ferntouristen "in heißen und kalten Erdstrichen". Jedem dieser so unterschiedlich Reisenden legt Schreger seine entsprechenden Anweisungen nahe. Dem (vom Autoren meistgeschätzten) Wanderer "zu Fuß steht die Welt offen, daß wir die Natur und den Menschen ganz in der Nähe betrachten mögen." Um nicht Opfer von Betrug oder Raub zu werden, "trete man in ganz bescheidener Figur, im schlichten Graurocke auf, in Italien z.B. als Maler." Ein treuer Hund als Begleiter erhöht die Sicherheit entscheidend. Der Gebirgswanderer, "namentlich in den Pyrenäen, der Schweiz, Savoyen, Salzburg, Tyrol, Schlesien, Böhmen, Sachsen", wird besonders vor Gletschern, Schnee- und Steinschlag gewarnt. Dem Soldaten gelten spezielle Gesundheitsregeln für anstrengende Märsche bei jedem Wetter sowie für das ständige Zusammenleben auf engem Raum. Und der Reiter findet zahlreiche Vorschläge für die richtige Wahl, Pflege und Nutzung des Pferdes.

Ein gespanntes Verhältnis hat Schreger zu den Rutschfahrern; sie "reisen nur aus einer Wirthsstube in die andere; sie gewahren wenig mehr, als bemalte Schilder!" Dennoch gibt er auch diesem Personenkreis Rat zur Auswahl des passendsten Wagens und empfiehlt als (relativ) besten den neueingeführten Eilwagen (Schnellpost). Dessen wenige und kurze Aufenthalte machen ihn jedoch ungeeignet für alle Leute mit "häufigem Harn- und Stuhlgange". Eigens gewarnt wird vor den Manipulationen der Kutscher, welche häufig mit den Gastwirten unter einer Decke stecken.

Umfangreiche Maßregeln weiß der Autor den Kur- und Brunnengästen anzutragen; sowohl für den innerlichen als auch äußerlichen Gebrauch der diversen Quellen und mit ihnen verbundenen Gesundheitseinrichtungen. die Schiffsreisenden macht Schreger mit den neu aufgekommenen Dampfschiffen vertraut. Die Furcht vor Explosionen der Kessel muß damals manchen von einer solchen Fahrt abgehalten haben; Schreger gibt sich jedenfalls einige Mühe, durch Erklären der Sicherheitseinrichtungen diese Angst abzubauen. Hinweise zur Gesundheitspflege und Ernährung auf langen Seereisen schließen sich an. Die letzten Abschnitte gelten den mannigfachen Gefahren exotischer Landstriche mit extremen Klimaverhältnissen, giftigen Pflanzen und Tieren, unbekannten Krankheiten usw. Die hier gedruckten Hinweise, recht kursorisch gehalten, dürften wohl Lesefrüchte sein.

Jedem Kapitel sind reichhaltig Literaturempfehlungen beigegeben; alle bekannten Namen der "vor-baedekerschen" Reiseführer finden sich hier vereint.

Der Verfasser (1768 Zeitz - 1833 Halle) war Arzt in Erlangen; später Prof. der Medizin in Wittenberg und Halle. Er entfaltete eine rege schriftstellerische Tätigkeit; neben wissenschaftlichen Arbeiten suchte er ständig medizinische Erkenntnisse einem breiteren Publikum nahezubringen.

Bibliographie: Schreger, C.H.Th. Reisediätetik... Halle 1827. X, (2), 275, (1) S. Hellgrüner Orig.-Ppbd.

Hans-Jürgen Ketz: Schreger: Reisediätetik.
In "Reisen und leben" Heft 19, S. 37-38.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1989)
ISSN 0936-627X


Im Zeichen des Buches: LesezeichenTable of contentsIn der Kutsche durch Europa

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